Berlin. Immer häufiger operieren Chirurgen unterstützt durch Roboter. Das Versprechen: höhere Präzision. Aussagekräftige Studien gibt es nicht.

„Hochpräzise und maximal schonend“ – die Information auf der Internetseite einer Klinik im Rhein-Sieg-Kreis klingt verheißungsvoll. Sie erklärt die roboterassistierte Chirurgie, die eine Genauigkeit verspreche, „die das menschliche Auge und die menschliche Hand allein nicht bieten können“. Die Patienten profitierten durch eine schnellere Heilung.

„Von Robotern oder Computern assistierte Operationen erleben in Deutschland einen Aufschwung“, sagt Professor Andreas Seekamp, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH). Zwar gebe es noch keine belastbaren Zahlen, „die Entwicklung aber schreitet schnell voran“, erklärt der Unfallchirurg. Weltweit sind Schätzungen zufolge bereits mehr als sechs Millionen Patienten allein mit dem OP-Roboter „Da Vinci“ operiert worden. Fast 6000 dieser Systeme sind global im Einsatz, in Europa sind es über 900.

Der Roboter operiert mit: Prof. Matthias Birth, Chefarzt der Chirurgie im Hanseklinikum Stralsund, demonstriert die Arbeit von Operationsroboter „Da Vinci Xi“ – hier ohne Patient. Mehr als 900 dieser Maschinen sind in Europa schon im Einsatz.
Der Roboter operiert mit: Prof. Matthias Birth, Chefarzt der Chirurgie im Hanseklinikum Stralsund, demonstriert die Arbeit von Operationsroboter „Da Vinci Xi“ – hier ohne Patient. Mehr als 900 dieser Maschinen sind in Europa schon im Einsatz. © picture alliance | Jens Koehler

Assistierte Chirurgie hat Ursprung in den USA

Ihren Ursprung hat die assistierte Chirurgie in den USA. Sie wurde vom Militär entwickelt, um Soldaten in Krisengebieten aus der Ferne operieren zu können. Sie geht deutlich weiter als die sogenannte minimalinvasive Chirurgie, bei der Operateure sehr feine Instrumente und Mini-Kameras durch kleine Schnitte in den Körper einführen.

Bei der assistierten Chirurgie sind die Instrumente an Roboterarmen befestigt. Statt am OP-Tisch zu stehen, sitzen Chirurgin oder Chirurg an einer Bedienkonsole. Auf einem Bildschirm sehen sie das Operationsfeld mit einer bis zu 16-fachen Vergrößerung. Zeitgleich überwacht ein Team am Patienten die Bewegungen der Maschine, die der Operateur manuell steuert. Automatisch läuft diese nicht.

Roboter eliminieren das Zittern der Hände

Bei den computergestützten Verfahren werden die Kamerabilder darüber hinaus mit zuvor erstellten radiologischen Daten zusammengeführt. Dabei entsteht eine virtuelle Realität. Bei Eingriffen an Becken, Knie oder Wirbelsäule etwa können Instrumente, Implantate oder Schrauben so im dreidimensionalen Raum platziert werden. „Die Genauigkeit der Schnitte, der präzisere Einsatz der Instrumente und ein besserer Blick sind die bedeutendsten Vorteile der assistierten Chirurgie“, sagt Andreas Seekamp.

Die Verfahren eignen sich vor allem für feinchirurgische Arbeiten in schlecht zugänglichen Bereichen. „Während der Operation nimmt der Roboter die Bewegungen der Hände über ein elektromagnetisches Feld und Joystick auf. Er führt sie über winzige Instrumente aus und eliminiert dabei auch das natürliche Ruhezittern der Hände“, sagt Seekamp. An der Konsole zu sitzen sorge zudem für eine schonendere Körperhaltung: „Sonst müssen wir häufig stundenlang stehen und in unphysiologischen Körperhaltungen verharren.“

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Auch in der Mikrochirurgie kommen OP-Roboter zum Einsatz. Mit einem Mikroskop vernetzt, erlauben sie es, auch feinste anatomische Strukturen wie Blutgefäße, Nerven oder Lymphbahnen wieder miteinander zu verbinden.

OP-Roboter „Da Vinci“: Kliniken werben mit robotergestützten Operationen

„Noch ist die roboter- und computerassistierte Chirurgie nicht flächendeckend und nicht für alle chirurgischen Eingriffe verfügbar“, sagt DGCH-Präsident Seekamp. Die Geräte sind teuer. „Da Vinci“ zum Beispiel kostet etwa zwei Millionen Euro – plus 3000 bis 4000 Euro pro Einsatz. Bei der Abrechnung durch die Fallpauschalen würde dies nicht lohnend vergütet, sagt Seekamp.

Und doch würden viele Krankenhäuser aktuell mit ihren Robotern Eigenwerbung betreiben, hat Jens Werner beobachtet. Der Präsident der Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie sieht das „durchaus kritisch“. Denn bisher fehlten hochwertige Vergleichsstudien. „Der Beweis, dass die bild- und computergestützte robotische Chirurgie wirklich besser ist, steht meist noch aus“, sagt er. „Wir sehen die roboterassistierte Chirurgie eher als ein zusätzliches Verfahren, welches das minimalinvasive Spektrum erweitert“, betont Seekamp. Bis heute gebe es kein System, welches ohne einen erfahrenen und versierten Chirurgen oder eine erfahrene und versierte Chirurgin auskomme.

OP mit Roboter: Ohne erfahrenen Chirurgen geht es nicht

„Wichtig ist zu betonen, dass die robotische Chirurgie nicht das Kennzeichen dafür sein sollte, weshalb Patientinnen und Patienten eine Klinik aussuchen“, sagt Jens Werner. „Es liegt an dem Operateur und an der Klinik, die beste Technik für die Situation des Patienten auszuwählen. Robotik ist nicht das Verfahren der Wahl für alle Situationen.“ Viel wichtiger sei es, sich mit einer Erkrankung an ein dafür spezialisiertes Behandlungszentrum zu wenden.

Aller Zurückhaltung zum Trotz glaubt aber auch Viszeralchirurg Werner, dass sich die Roboter-Verfahren langfristig durchsetzen werden: „Die Kombination von assistierten OP-Verfahren und Künstlicher Intelligenz wird die Sicherheit von Operationen in Zukunft verbessern. Das wird aber noch zehn bis 15 Jahre dauern.“