Berlin. Kein Sommerwochenende vergeht ohne Badeunfälle. Für viele Todesfälle an Meer, Seen oder in Bädern gibt es erschreckende Gründe.

Wer im Sommer an deutschen Badeseen oder im Freibad unterwegs ist, sieht sie überall: Die Möchtegern-Klippenspringer, die – trotz Verbotsschildern und mahnendem Zeigefinger des Bademeisters – mit Anlauf und Kopf voraus ins Wasser hechten. Kaum ein Wochenende scheint zurzeit ohne Badeunfälle oder Berichte über Ertrunkene zu vergehen.

Im vergangenen Jahr ertranken in Deutschland laut DLRG-Statistik 355 Menschen, 56 mehr als noch 2021. „Die DLRG hatte im vergangenen Jahr besonders viele Einsätze im Wasser und mit 836 Menschen so viele vor dem Ertrinken bewahrt wie seit 40 Jahren nicht mehr“, betont Pressesprecher Martin Holzhause. Oft seien es Nichtschwimmer oder unsichere Schwimmer, die in Not gerieten. „Auch bei einigen der tödlichen Unfälle zuletzt waren Nichtschwimmer betroffen.“ Zahlen für 2023 kann die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) noch nicht vorlegen.

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DLRG: Weniger Schwimmbäder bedeuten mehr Nichtschwimmer

Nach einer aktuellen Umfrage der DLRG kann jedes fünfte Kind im Alter zwischen sechs und zehn Jahren nicht schwimmen. Oft und gerne wird das Bädersterben mit der Nichtschwimmerquote in Verbindung gebracht. „Seit Anfang 2000 haben wir in Deutschland hunderte Schwimmbäder dauerhaftverloren“, so die DLRG. „Das führt dazu, dass weniger Kinder schwimmen lernen.“ Wer es jedoch als Kind nicht lerne, sei am, auf und im Wasser für den Rest des Lebens eher gefährdet.

Jedes fünfte Kind in Deutschland kann nicht schwimmen. Helfen würden laut DLRG mehr Schwimmbäder und mehr Personal.
Jedes fünfte Kind in Deutschland kann nicht schwimmen. Helfen würden laut DLRG mehr Schwimmbäder und mehr Personal. © dpa | Sven Hoppe

„Weniger Bäder und weniger Schwimmer machen es auch den Rettungsorganisationen wie der DLRG schwerer, Rettungsschwimmerinnen und Rettungsschwimmer auszubilden.“ Es brauche genügend qualifiziertes Personal und gut erreichbare Schwimmbäder. „Bund, Länder und Kommunen müssen ihre Anstrengungen bündeln und gemeinsam die Zukunft der Bäder in Deutschland nachhaltig sichern.“

Bädergesellschaft: „Bädersterben lässt sich nicht belegen“

Die Deutsche Bädergesellschaft sieht keinen direkten Zusammenhang zwischen der Nichtschwimmerquote und dem Bädersterben: „Der Begriff suggeriert einen dramatischen Fortschritt von Bäderschließungen, der sich nicht belegen lässt“, so eine Sprecherin. Im Bäderatlas der Gesellschaft sind derzeit rund 6000 Hallen- und Freibäder gelistet. Wie sich ihre Zahl im vergangenen Jahrzehnt entwickelt habe, lasse sich nicht belegen. Eine hauseigene Studie zur Bäderentwicklung von 2019 zeige jedoch, dass zwischen den Jahren 2016 und 2018 genau 18 Bäder in ganz Deutschland geschlossen haben sollen.

Grund für die Schließungen sei, soweit überhaupt angegeben, oft ein schlechter Zustand des Bades. Dabei könne es laut Bädergesellschaft gar nicht schaden, wenn alte Bäder geschlossen würden – im Gegenteil: „Wenn etwa zwei kleine Stadtteil-Schwimmhallen schließen und dafür ein großes Bad an zentraler Stelle mit guter Anbindung gebaut wird, hat man nichts verloren.“

Die vielen Nichtschwimmer in Deutschland führt die Bädergesellschaft auf andere Faktoren zurück. Ganz entscheidend sei der Personalmangel in den Bädern: „Aufgrund der angespannten Personalsituation ist es nicht immer leicht, genügend Schwimmkurse anzubieten.“ Gleiches gelte für die Schule: „Dort herrscht bekanntlich Lehrermangel, sodass der Schwimmunterricht nicht immer in gewünschtem Umfang stattfinden kann.“

Experte: Oft führt Leichtsinn zu Badeunfällen

Die Gründe für Badeunfälle sind laut DLRG vielfältig. So könnten sicher Sprachbarrieren dazu führen, dass Menschen Warnhinweise nicht erfassen. „Doch häufig sind diese mit Symbolen versehen, die auch ohne Sprachkenntnisse funktionieren“, so Holzhause. Häufiger passiere es, dass Hinweise und Verbote ignoriert würden. „Mir passiert schon nichts, scheint da die Devise zu sein.“ Wenn dann noch Alkohol ins Spiel komme, könne leichtsinniges Verhalten schnell gefährlich werden.

Viele Badeunfälle passieren aus Unwissenheit oder Leichtsinn, so die DLRG.
Viele Badeunfälle passieren aus Unwissenheit oder Leichtsinn, so die DLRG. © dpa | Hauke-Christian Dittrich

Ein Risikofaktor für Badeunfälle sei demnach vor allem Übermut oder Unwissenheit: „Die meisten Menschen ertrinken in unbewachten Gewässern, allen voran in Seen und Flüssen.“ Dort lauern laut DLRG die meisten Gefahren wie Fahrrinnen, Strömungen, Brückenpfeiler oder Hindernisse unter Wasser. Hinzu komme, dass viele sich beim Baden überschätzen, gerade bei hohen Temperaturen, die durch den Klimawandel nun immer weiter steigen.

„Die Hitze ist eine große Belastung für den Körper. Fällt dieser plötzlich in deutlich kühleres Wasser, kann es schnell lebensgefährlich werden“, erklärt Experte Martin Holzhause. Immer mehr warme Sommertage bedeuteten auch mehr Suche nach Abkühlung und mehr Menschen am Wasser wiederum ein höheres Unfallrisiko.

DLRG gibt Tipps für sicheres Baden

Überhaupt empfiehlt die DLRG, nur an bewachten Badestellen schwimmen zu gehen und Kinder nie unbeaufsichtigt zu lassen. Vor allem ältere Menschen gingen oft Gewohnheiten nach und schwämmen in heimischen Gewässern, die nicht bewacht sind. Wenn dann nur wenige Menschen in der Nähe sind, bestehe kaum Chance auf Hilfe im Notfall. Wer einen Badeunfall beobachtet, sollte zuerst die Rettungsschwimmer vor Ort alarmieren oder den Notruf wählen. „Dann sollte man schauen, ob man der ertrinkenden Person einen schwimmenden Gegenstand zuwerfen oder reichen kann, an dem sie sich festhalten kann“, so Martin Holzhause. Niemals sollte man sich selbst beim Rettungsversuch in Gefahr bringen.

Aber bestätigen die Zahlen den allgemeinen Eindruck, dass sich tödliche Badeunfälle häufen? Die Todesfallstatistik der DLRG zeigt sogar einen gegenläufigen Trend: „In den vergangenen zehn Jahren kamen durchschnittlich 425 Menschen im Wasser ums Leben; in den zehn Jahren davor waren es fast 470 und zu Beginn dieses Jahrhunderts sogar deutlich über 500.“ Die Präventionsarbeit zeige Wirkung, so Martin Holzhause, sie könne aber noch ausgebaut werden, „in den Kindergärten und Schulen, gegenüber jungen Männern, Senioren oder auch Menschen aus anderen Ländern.“