Berlin. Betroffene von Haarausfall benutzen oft beworbene Shampoos. Eine Ärztin erklärt, welche Maßnahme gegen die Symptome angebracht ist.

Menschen mit Haarprobleme kämpfen häufig mit einem geringen Selbstvertrauen. Haarausfall betrifft nach Angaben des Bundesverbands der Zweithaar-Spezialisten e.V. 40 Prozent der Männer und 20 Prozent der Frauen in Deutschland. Vermeintliche Hilfe ist schnell zur Hand: Die Regale der Drogerien sind voll von Shampoos und anderen Mittelchen, die – wie in der Werbung angepriesen – Haarausfall reduzieren und das Wachstum anregen sollen.

Welche Ursachen hat Haarausfall?

Den wahren Effekt dieser Produkte sehen Dermatologen jedoch kritisch, darunter auch Professorin Natalie Garcia Bartels, die als Fachärztin für Dermatologie, Venerologie und Allergologie in Berlin tätig ist. Haarausfall, so die Expertin, ist keine Krankheit an sich, sondern ein Symptom, für das es sehr viele Gründe geben kann. „In der Bevölkerung kommt sehr oft die androgenetische Alopezie vor, vielfach wird sie auch als erblicher Haarausfall betitelt“, so die Dermatologin. Bei Männern seien dies die typischen Geheimratsecken, bei Frauen meist der lichter werdende Scheitel.

Neben dieser Form komme auch der diffuse Haarausfall häufig vor. „Da sind die Ursachen sehr vielfältig“, erklärt Garcia Bartels. „Das reicht von Stoffwechselerkrankungen, Schilddrüsenerkrankungen, Mangelzuständen über chronisch entzündliche Erkrankungen sowie Medikamente und Infekte.“ Die dritthäufigste Form sei der kreisrunde Haarausfall, bei dem es sich um eine genetische Autoimmunerkrankung handelt: „Der eigene Körper richtet sich gegen die Haare.“ Die Erkrankung sei schmerzlos, komme aber häufig überraschend und könne sich auf die gesamte Körperbehaarung ausweiten.

Haarausfall: Friseurmeister schwört auf dieses Produkt

Wer bei der Behandlung von Haarausfall auf die Hilfe von Shampoos hofft, wird jedoch enttäuscht. Denn: „Shampoos helfen nicht bei Haarausfall“, so die Dermatologin. Viele Haarprodukte in den Drogerien versprechen mehr Volumen oder glänzendes Haar. Diese Shampoos versuchen die Haarstruktur von außen zu ummanteln, so Garcia Bartels, um dem Haar für eine kurze Zeit etwas mehr Dicke zu geben. „Außen an den Haarschaft lagern sich Moleküle, Proteine, Silikone oder andere Stoffe an – das hat aber letztlich nichts mit der Aktivierung des Haarwachstums zu tun oder stoppt gar den Haarausfall.“

Viele Haarprodukte sollten laut Experten mindestens zwei Minuten auf der Kopfhaut einwirken. Ob ein bestimmtes Shampoo wirklich gegen Haarausfall hilft, sei jedoch eher umstritten.
Viele Haarprodukte sollten laut Experten mindestens zwei Minuten auf der Kopfhaut einwirken. Ob ein bestimmtes Shampoo wirklich gegen Haarausfall hilft, sei jedoch eher umstritten. © Shutterstock | ariwasabi

Wer sein Haar nur mit Shampoo behandle, aber die eigentliche Ursache des Symptoms nicht kenne, verzögere die Diagnose. „Ein Shampoo kann beispielsweise bei Haarausfall, der durch Eisenmangel bedingt ist, nicht helfen“, erklärt die Dermatologin. Außerdem blieben Shampoos nicht lange auf dem Kopf und könnten deshalb ihre Wirkung nicht vollständig entfalten, erklärt Jens Dagné, Friseurmeister im Salon „Haare.Kosmetik.Zweithaar“ in Worms. „Da Shampoos rasch wieder ausgewaschen werden, ist der Effekt nicht so vielversprechend wie bei Lotions und Konzentraten, die auf der Kopfhaut verbleiben.“

Mittel gegen Haarausfall: Worauf es ankommt

Es gibt kaum Untersuchungen, wie lange ein Shampoo, das bestimmte Inhaltsstoffe enthält, die auch zum Haarfollikel gelangen sollen, auf der Kopfhaut bleiben sollte, erklärt Dermatologin Garcia Bartels: „Es gibt ein Molekül, dass getestet wurde, das ist das Koffein. Das muss zwei Minuten auf der Kopfhaut bleiben, damit es eindringt.“ Wichtig sei, dass das Wirkmolekül wirklich auch im Haarfollikel ankommt. „Es gibt manche Moleküle, die besser in ein Öl eindringen, als in einer wässrigen Flüssigkeit.“

Bei manchen funktioniere das auch in einem Shampoo, aber das hänge immer vom Wirkstoff ab. „Wenn man einen Effekt haben möchte, kann es für bestimmte Wirkstoffe sinnvoller sein, diese in Ölen oder Lotions aufzutragen“, sagt Natalie Garcia Bartels. Gleichzeitig ist es nicht bei jedem Produkt ratsam, es zu lange einwirken zu lassen: „Es ist durchaus möglich, dass ein Shampoo so viele unterschiedliche Stoffe enthält, dass man Irritationen auf der Kopfhaut bekommen kann, weil man es vielleicht hat länger einwirken lassen oder die Inhaltsstoffe nicht verträgt “, erklärt die Ärztin. Das könne die Kopfhaut austrocknen, reizen oder auch einen allergischen Effekt haben.

Diese Naturprodukte können gegen Haarausfall helfen

Friseurmeister Jens Dagné schwört auf die Wirkung von Rosmarinöl: „Rosmarin enthält eine Vielzahl nützlicher Moleküle, darunter Flavonoide, Terpene, Phenolsäuren und Rosmarinsäure.“ Ihre antioxidantischen Eigenschaften seien sehr nützlich, da sie helfen, freie Radikale unschädlich zu machen und dadurch die Haut vor Schädigung zu schützen. Die Wirksamkeit von Rosmarin hat eine Studie der National Library of Medicine untersucht: Bei 40 Probanden wurde nach acht und 16 Wochen beobachtet, dass der Haarausfall durch den Wirkstoff signifikant reduziert wurde.

„Auch eine Mischung aus Lärchenholz- und Teeextrakt kann helfen“, weiß der Friseur. So enthalte vor allem Grüner Tee viele Antioxidantien, welche die Zellen schützen. Trägt man das Teeextrakt direkt auf die Kopfhaut auf, dringt es an die Haarfollikel vor, kann sie kräftigen und wieder stimulieren. Die Wachstumsphasen der Haare können sich wieder verlängern. Dagné empfiehlt beim Kampf gegen Haarausfall ein ganzes System zu nutzen und nicht einseitig auf Shampoo zu setzen. Seine Devise: Sanfte Reinigung, um die Kopfhaut auf wachstumsfördernde Behandlungen vorzubereiten.

Haarausfall: Das rät eine Hautärztin

Diese pflanzlichen Mittel seien allerdings auch nicht immer nötig bei einer Therapie gegen Haarausfall, wie Dermatologin Natalie Garcia Bartels zu bedenken gibt. Besser sei es demnach erstmal zum Arzt zu gehen, als zu einem Shampoo zu greifen. Außerdem fehle auf den Shampoos meist die Angabe der Menge, die man benötigt, um den gewünschten Effekt zu haben. „Wenn man das vergleicht mit Therapien, die wir gegen Haarausfall einsetzten, dann müssen diese täglich, manchmal sogar zweimal täglich in einer ganz bestimmten Menge aufgetragen werden“, so die Expertin. Das machen mit Shampoos jedoch nur die wenigsten Menschen.

Der Dermatologin ist es deshalb wichtig, noch einmal klarzustellen: „Haarausfall ist ein Symptom. Es gibt nicht die eine Therapie, die man empfehlen kann bei Haarausfall – man muss die Ursache herausfinden.“ Denn oftmals gebe es nicht nur eine Ursache, sondern es kämen viele Faktoren zusammen.

  • Auch interessant: Verzicht auf Shampoo - Das sagen Experten zum „No-Poo“-Trend