Berlin. Mehr Teilhabe, schnellere Integration, ein modernes Staatsbürgerrecht: Die Ampel-Regierung will die Einbürgerung nun neu aufstellen.

Die Ampel-Koalition bastelt weiter an der Modernisierung der Migrationspolitik: Nach monatelangen Beratungen haben sich Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) geeinigt auf eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts. Der Referentenentwurf des Gesetzes liegt unserer Redaktion vor. Wer künftig auf schnellere Einbürgerung hoffen darf und wer nicht – ein Überblick.

Wird es künftig leichter, Deutscher oder Deutsche zu werden?

In erster Linie: Schneller. Statt wie bisher nach acht Jahren in Deutschland soll eine Einbürgerung nach dem Willen von SPD, Grüne und FDP in Zukunft schon nach fünf Jahren möglich sein. Bei besonderen Integrationsleistungen soll der Anspruch auf Einbürgerung sogar schon nach drei Jahren bestehen, wenn der oder die Einbürgerungswillige den eigenen Lebensunterhalt finanziert und mindestens auf Niveau C1 Deutsch spricht und schreibt, also sehr gut.

Künftig sollen außerdem mehrere Staatsbürgerschaften regulär möglich sein. Schon jetzt gibt es laut dem Mikrozensus von 2021 2,6 Millionen Deutsche, die eine weitere Staatsbürgerschaft haben – zum Beispiel weil es nicht möglich ist, die Staatsbürgerschaft des Herkunftslands abzulegen. Grundsätzlich gilt bislang aber, dass bei der Einbürgerung in Deutschland die bisherige Staatsbürgerschaft abgelegt werden soll.

Eine Psychiaterin und ein Internist, die ursprünglich aus dem Irak stammen, lassen sich mit ihren Kindern nach einer Einbürgerungsfeier des Landes Baden-Württemberg fotografieren.
Eine Psychiaterin und ein Internist, die ursprünglich aus dem Irak stammen, lassen sich mit ihren Kindern nach einer Einbürgerungsfeier des Landes Baden-Württemberg fotografieren. © picture alliance/dpa | Marijan Murat

Der tatsächlichen Praxis entspricht das nach Angaben der Bundesregierung aber schon jetzt nicht mehr. Seit über 15 Jahren würden fast durchgängig mehr als die Hälfte aller Einbürgerungen unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit vollzogen, heißt es im Gesetzentwurf, die Tendenz sei dabei kontinuierlich steigend.

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Die Bundesregierung will die Einbürgerung zudem einfacher machen für Menschen, die als Teil der Gastarbeitergeneration nach Westdeutschland kamen oder als Vertragsarbeiter in die DDR. Sie müssten nach den neuen Regeln nur noch mündlich nachweisen, dass sie sich im Alltag ohne Probleme in Deutschland verständigen können, ein schriftlicher Test soll wegfallen. Auch die Verpflichtung zum Einbürgerungstest soll laut Gesetzentwurf gestrichen werden. Die Vorschläge waren zum ersten Mal im Herbst präsentiert worden.

Was sind besondere Integrationsleistungen?

Als „besondere Anstrengungen“, sich „in die Lebensverhältnisse in Deutschland zu integrieren“, nennt der Referentenentwurf konkret: besondere schulische oder berufliche Leistungen, ehrenamtliches Engagement oder besonders gute Sprachkenntnisse.

Welche Ausschlusskriterien gibt es für die Einbürgerung?

Die bisherige Regelung sieht für eine Einbürgerung die „Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse“ vor. Diese Formulierung soll ersetzt werden durch konkretere Ausschlussgründe – eine Verurteilung wegen antisemitischer, rassistischer, fremdenfeindlicher oder sonstiger menschenverachtend motivierter Straftaten stünde der Einbürgerung entgegen. Ob eine Verurteilung vorliegt, soll verpflichtend abgefragt werden.

Wer Deutscher werden will, muss bislang grundsätzlich noch seine alte Staatsbürgerschaft abgeben. Das soll sich nun ändern.
Wer Deutscher werden will, muss bislang grundsätzlich noch seine alte Staatsbürgerschaft abgeben. Das soll sich nun ändern. © dpa | Britta Pedersen

Auch Mehr-Ehen sollen ein Ausschlussgrund sein – weil es sich dabei laut Entwurf „um ein in Deutschland verbotenes, die Rechte von Frauen missachtendes Ehemodell“ handelt. Grundsätzlich müssen Einbürgerungswillige außerdem in der Lage sein, ihr Leben in Deutschland selbst zu finanzieren, ohne etwa Bezug von Bürgergeld. Hier soll es aber Ausnahmen geben, etwa für Angehörige der Gastarbeitergeneration.

Was verspricht sich die Ampel-Koalition von den Änderungen?

Bislang hat Deutschland im europäischen Vergleich niedrige Einbürgerungsraten – das soll sich mit der Reform ändern. Menschen, die auf Dauer in Deutschland leben, sollen mehr Möglichkeiten zur Teilhabe bekommen, etwa bei Wahlen. Gleichzeitig soll der kürzere Weg zur Staatsbürgerschaft explizit auch einen Anreiz zur schnelleren Integration schaffen. In der Begründung des Gesetzentwurfs führt die Regierung an, dass es laut Bundesverfassungsgericht der „demokratischen Idee“ entspricht, wenn die Bevölkerung und die Gruppe derjenigen, die demokratisch mitbestimmen können, möglichst deckungsgleich seien.

Neben demokratietheoretischen Überlegungen dürften aber auch wirtschaftliche Interessen eine Rolle spielen. Deutschland ist dringend angewiesen auf den Zuzug von Fach- und Arbeitskräften aus dem Ausland, im internationalen Vergleich aber nicht unter den attraktivsten Zielländern. Diese Attraktivität könnte ein schnellerer Zugang zur Staatsbürgerschaft verbessern.

„Wir wollen, dass Menschen, die Teil unserer Gesellschaft geworden sind, unser Land auch demokratisch mitgestalten können“, sagt Innenministerin Faeser. „Gute Beispiele wie Kanada zeigen uns, dass diese Perspektive auch entscheidend ist, um die Fachkräfte zu gewinnen, die wir dringend brauchen.“

Eine Einbürgerung sei „ein großer Grund zum Feiern“, erklärte die Ministerin. Und so soll der Akt nach den Plänen der Regierung bald auch aussehen: Erhalten sollen neue Staatsbürger ihre Einbürgerungsurkunde dann im Rahmen einer öffentlichen Einbürgerungsfeier.

Wie werden die Vorschläge aufgenommen?

Die Union, die die Pläne der Ampel schon bei der ersten Vorstellung durch Faeser und Olaf Scholz hart kritisiert hatte, zeigte sich auch von der überarbeiteten Fassung nicht überzeugt: Das Gesetz der Ampel „führt zu einer Entwertung der deutschen Staatsangehörigkeit“, sagte Thorsten Frei, parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag. „Es wird die Integration erschweren.“

Staatsangehörigkeit, findet Frei, müsse immer der Abschluss einer gelungenen Integration sein und dürfe nicht schon am Beginn stehen. Vor allem die FDP kritisierte er für ihre Zustimmung zu dem Gesetz – sie sei mit der Einigung „krachend gescheitert“.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte, es sei „völlig überzogen, wenn jetzt beliebig und ohne jegliche Begrenzung doppelte Staatsangehörigkeiten zugelassen werden“. Zudem sei nicht zu verstehen, dass das Erfordernis, die deutsche Sprache zu sprechen, in irgendeiner Weise eingeschränkt oder relativiert werde. „Wer den deutschen Pass will, muss auch deutsch sprechen können“, sagte Herrmann.

Der Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, begrüßte hingegen den Entwurf. Mit der Regelung zur doppelten Staatsbürgerschaft manifestiere sich „das Innenleben und die Identität von vielen Menschen mit Migrationsgeschichte in Deutschland“ künftig auch in zwei Pässen, sagte er dieser Redaktion. Die Behörden und Stellen, die Einbürgerungen durchführen, seien aber schon jetzt häufig überlastet. Auch das müsse sich ändern. „Ansonsten bleibt das Gesetz nur gut gemeint, die Antragssteller aber warten Monate und Jahre auf ihre Einbürgerung.“ Der Entwurf geht nun zur Abstimmung an Länder und Verbände.

(mit thk, chri, gau)