Brüssel. In der EU ist die AfD isoliert. Ob Orban, Le Pen oder Meloni – auch Rechtspopulisten distanzieren sich. Und verweisen auf einen Mann.

Das Potsdamer Treffen von Rechtsextremisten zur sogenannten Remigration, an dem auch AfD-Politiker teilnahmen, hat der Partei nicht nur in Deutschland viel Empörung eingebracht. Auch im europäischen Ausland trifft die AfD auf Widerstand – selbst bei rechtspopulistischen Parteien, die sie gern als Bündnispartner hätte. In Frankreich geht die Frontfrau des extrem rechten Rassemblement National (RN), Marine Le Pen, scharf auf Distanz.

„Wir haben nie eine Politik der Remigration verteidigt, die beinhalten würde, Menschen die französische Staatsangehörigkeit zu entziehen“, stellt Le Pen klar und spricht von „krassen Meinungsunterschieden“ zur AfD. Beim Potsdamer Treffen waren Berichten zufolge Pläne erörtert worden, auch deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund aus dem Land zu drängen. Le Pen ist bereit zum Eklat, sie stellt in Frage, ob die französischen RN-Abgeordneten im EU-Parlament künftig noch gemeinsam mit der AfD in der rechtsradikalen Fraktion Identität und Demokratie (ID) sitzen könnten.

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Berührungsängste gibt es nicht nur in Paris, sondern auch bei Rechtsaußen-Parteien anderswo auf dem Kontinent: Die AfD ist einflussreichen Rechtspopulisten Europas zu extrem, ihre Positionen gehen den Scharfmachern zu weit. Bei wichtigen Treffen der europäischen Rechtsaußen-Parteien ist die AfD deshalb oft nicht erwünscht. Wenn Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán zum Vernetzungsgipfel europäischer Rechtsparteien lud oder 16 Rechtsaußen-Parteien ein Manifest gegen den „europäischen Superstaat“ verfassten – die AfD war nicht dabei.

Italien: Auch für Georgia Meloni ist die AfD kein Partner

„Die Positionen der AfD sind selbst für die Fraktion Identität und Demokratie (ID), die den harten Kern der Rechtspopulisten versammelt, zu radikal – so isoliert sich die AfD“, sagt der Bonner Parteienforscher Frank Decker unserer Redaktion. Bereits zu Jahresanfang hatte auch die italienische Ministerpräsidentin Georgia Meloni klargestellt, dass die AfD für sie kein Bündnispartner auf europäischer Ebene ist: Mit der Partei gebe es „unüberbrückbare Differenzen“, sagte Meloni. Die Vorsitzende der rechtsaußen angesiedelten „Brüder Italiens“ begründete das unter anderem mit dem Verhältnis der AfD zu Russland.

Die beiden AfD-Vorsitzenden Tino Chrupalla und Alice Weidel während einer Plenarsitzung des Bundestags.
Die beiden AfD-Vorsitzenden Tino Chrupalla und Alice Weidel während einer Plenarsitzung des Bundestags. © picture alliance / dts-Agentur | -

Melonis Regierung schließt sich der Linie der Europäischen Union an, die bei der Verteidigung gegen Russland zu unterstützen. Sie hat auch dem EU-Asylkompromiss zugestimmt, den die AfD als „riesige Alibi-Veranstaltung“ ablehnt. Auch der ungarische Premier Viktor Orbán hält wenig von der in Teilen rechtsextremistischen AfD: Es sei nicht klar, ob sie für oder gegen Europa sei, begründet Orban seine Distanz. Deshalb gebe es keine stärkere Zusammenarbeit mit der AfD, sondern nur „sehr wenige Kontakte“.

In vielen Teilen Europas stößt die völkische Rhetorik etwa eines Björn Höcke, die an finsterste Zeiten erinnert, gerade bei Nationalisten auf Ablehnung – etwa in den Niederlanden, wo Islamgegner Geert Wilders einen klaren Trennungsstrich zu Neonazis zieht und den Koran abfällig mit Hitlers „Mein Kampf“ vergleicht. Inhaltlich isoliert sich die AfD vor allem mit der Forderung nach einem Austritt Deutschlands aus der EU, den sie mal ausdrücklich, mal etwas vage in ihre Programme schreibt.

EU-Austritt: Mit dieser Forderung ist die AfD ziemlich allein

Höcke sagt: „Diese EU muss sterben, damit das wahre Europa leben kann“. Vor wenigen Tagen brachte Parteichefin Alice Weidel die deutsche EU-Kündigung wieder ins Gespräch: Hierzulande sollte der Dexit-Vorstoß wohl von den Potsdamer Enthüllungen ablenken – in Europa hat die AfD alles nur noch schlimmer gemacht. Denn nur wenige Rechtspopulisten in Europa, Geert Wilders in den Niederlanden gehört dazu, sind in dieser Frage so radikal wie die AfD. Überwiegend ist spätestens seit dem Brexit ein Austritt aus der EU kein Thema mehr für Populisten.

Die italienische Premierministerin Giorgia Meloni, Chefin der rechten „Brüder Italiens“, lehnt die AfD als Bündnispartner ab. Es gebe „unüberbrückbare Differenzen“, sagt Meloni, etwa in der Russland-Politik.
Die italienische Premierministerin Giorgia Meloni, Chefin der rechten „Brüder Italiens“, lehnt die AfD als Bündnispartner ab. Es gebe „unüberbrückbare Differenzen“, sagt Meloni, etwa in der Russland-Politik. © Getty Images | Franco Origlia

Politikprofessor Decker sagt: „Hier unterscheidet sich die AfD mit ihrer antieuropäischen Position ziemlich von den beiden anderen Hauptvertretern in der Fraktion ID, der italienischen Lega und der RN von Marine Le Pen“. Die Französin Le Pen hat die Forderung nach einem „Frexit“ schon lange beerdigt. Es ist Teil ihres Versuchs, mit der sogenannten „Entteufelung“ ihr hartes Image abzulegen und mit einem gemäßigten Programm auch bürgerliche Wähler zu umwerben. Auch Parteienforscher Decker sagt, Le Pen habe radikale Positionen abgeräumt, weil sie sonst keine Chance auf Mehrheitsfähigkeit hätte.

Ungarn: EU-Austritt ist für die Regierung keine Alternative

In Orbans ungarischer Fidesz-Partei sagt die Spitzenkandidatin zur Europawahl, Judit Varga, unserer Redaktion: „Für Ungarn war es nie eine Alternative, die EU zu verlassen. Wir sind nicht EU-feindlich. Wenn ganz Europa zerbricht, sind wir diejenigen, die noch die letzte Säule festhalten.“ In der spanischen Vox heißt es, der Dexit-Beschluss der AfD sei „ein großer Fehler“ gewesen. In Italien, erklärt Decker, zwinge die Regierungsbeteiligung zur Mäßigung. In der AfD aber hätten sich die radikaleren Kräfte durchgesetzt, auch in der Kandidatenliste für die Europawahl.

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban unterhält nach eigenen Worten nur sehr wenige Kontakte zur AfD.  Die ungarische Regierung ist strikt gegen einen Austritt aus der EU - anders als die AfD, für die der „Dexit“ eine Option ist.
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban unterhält nach eigenen Worten nur sehr wenige Kontakte zur AfD. Die ungarische Regierung ist strikt gegen einen Austritt aus der EU - anders als die AfD, für die der „Dexit“ eine Option ist. © AFP | ATTILA KISBENEDEK

Dass sie mit ihren radikalen Positionen keine Chance auf eine Regierungsbeteiligung habe, führe dazu, „dass sie sich weiter radikalisiert“, so der Parteienforscher. Rückhalt findet die AfD am ehesten noch in Italien, wo Matteo Salvini von der Lega ein Partner ist. Und die zum Teil aus Neonazi-Gruppen entstandenen Schwedendemokraten, die in Stockholm die konservative Minderheitsregierung von Ulf Kristersson stützen, sehen keinen Anlass für Absetzbewegungen.

Wichtiger Verbündeter der AfD bleibt auch die österreichische FPÖ, die selbst auf Radikalisierungskurs ist und schon seit Jahren über Remigration schwadroniert: Die stramm rechte FPÖ macht kaum noch einen Hehl aus Kontakten zum rechtsextremen Netzwerk der Identitären Bewegung rund um den Österreicher Martin Sellner – jenem Mann, der bei dem Treffen in Potsdam eine zentrale Rolle gespielt haben soll.