Berlin. Im Fall Nawalny schießen die Spekulationen ins Kraut. Warum gibt Putin Leichnam seines Gegners nicht raus? Rätsel und Merkwürdigkeiten.

Der Tod von Alexej Nawalny gibt Rätsel auf. Bisher hat weder seine Mutter noch jemand aus seinem Unterstützerkreis den Leichnam des russischen Oppositionspolitikers gesehen. Ebenso unklar ist, ob eine Obduktion stattgefunden hat, gar eine unabhängige forensische Untersuchung, inklusive Befunddokumentation und Klärung der Todesart und -ursache.

Die Witwe Julia Nawalnaja machte in einem Video eine Ankündigung. Sie glaubt, dass Russlands Präsident Wladimir Putin für den Tod ihres Mannes verantwortlich ist. Das kann man wörtlich nehmen im Sinne eines Mordauftrages oder im übertragenen Sinne.

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Denn: Politisch war Nawalny ein Todgeweihter. Er hatte schon einmal in Russland einen Mordanschlag überlebt und war nach Behandlung und Genesung in Deutschland prompt nach der Rückkehr in seine Heimat verhaftet, verurteilt und wie ein Schwerverbrecher in eine Strafkolonie im Ural gebracht worden – weit weg, im toten Winkel der Weltöffentlichkeit.

Alexej Nawalny: Warum verzögert sich die Herausgabe des Leichnams?

Fakt ist, dass er einen Tag vor seinem Tod noch bei einer Gerichtsverhandlung war und einen quicklebendigen Eindruck machte. Nach offizieller Lesart ging er anderntags spazieren, brach urplötzlich zusammen und starb. Solche Unglücksfälle kommen vor, aber in konkreten Fall ist das Misstrauen groß. Zwei Aussagen sorgen zusätzlich für Verwirrung.

Von Blutergüssen und Prellungen am Leichnam berichtet ein Sanitäter, von Unruhe und hektischer Betriebsamkeit im Straflager ein Mitgefangener. Beide Quellen sind anonym und berichten vom Hörensagen. Es sind keine Zeugen. Die Berichte gehen auf ein Exil-Medium zurück, auf das kremlkritische Portal „Nowaja Gaseta Ewropa“. Derzeit ist es unmöglich, die Angaben zu überprüfen.

Rätsel um Todeszeitpunkt Nawalnys

Demnach soll Nawalnys Körper in das Bezirkskrankenhaus Salechard transportiert worden sein. „Sie brachten ihn in die Leichenhalle“, so der Sanitäter. Davor sollen Polizisten Wache halten. Die Gerüchte nehmen kein Ende. Mal ist davon die Rede, dass die Ärzte eine Autopsie verweigert hätten. Mal heißt es, sie sollten auf Spezialisten aus Moskau warten.

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Prellungen am Körper sollen nicht durch Schläge, sondern durch Krämpfe hervorgerufen worden sein. Ein Bluterguss auf der Brust soll eine Folge von Wiederbelebungsmaßnahmen sein.

Wladimir Putin befördert Nawalnys Peiniger zum General

Wie um Nawalny nach seinem Tod zu verhöhnen, wurde nun bekannt, dass einer seiner schlimmsten Peiniger im Straflager von Wladimir Putin persönlich befördert worden ist. Iwan Schdanow, Direktor des von Nawalny gegründeten Fonds zur Bekämpfung der Korruption (FBK), schrieb auf „X“ (vormals Twitter): „Persönliche Auszeichnung für Folter und Mord durch Putin. Der stellvertretende Leiter Bojarinew, der die Folterung von Alexej Nawalny überwachte, erhielt drei Tage nach dem Mord von Putin den Rang eines Generaloberst.“ Waleri Bojarinew, Vizechef der russischen Gefängnisbehörde FSIN, soll im Juli 2023 angeordnet haben, dass Nawalny nur noch eingeschränkt Lebensmittel und Güter des täglichen Bedarfs einkaufen konnte.

Zur Beerdigung wird Protest erwartet

Die Zweifel an Nawalnys Todesursache beginnen schon beim Todeszeitpunkt. Offiziell verstarb der 47-jährige Politiker am Freitagmorgen. Laut einem Häftling wich schon die abendliche Überprüfung am Vortag von der Gefängnisroutine ab. Die Häftlinge seien gewarnt worden, dass es zwischen den Baracken keinen Verkehr geben dürfe und die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt würden. „Man hörte am späten Abend und in der Nacht drei Mal, wie einige Autos in die Zone fuhren.“ Starb Nawalny schon früher?

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Die Spekulationen schießen ins Kraut. Befürchtet wird, dass die Behörden die Herausgabe des Leichnams hinauszögern. Nach Angaben seines Teams soll der Leichnam noch mindestens 14 Tage weiter unter Verschluss halten. „Die Ermittler haben den Anwälten und der Mutter von Alexej gesagt, dass sie die Leiche nicht herausgeben“, schrieb Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch am Montag auf X (vormals Twitter). Als Grund seien „chemische Untersuchungen“ genannt worden.

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Befürchtet wird ein Zeitgewinn für Manipulationen – oder um die Beerdigung auf die Zeit nach der anstehenden Präsidentenwahl Mitte März in Russland zu verzögern. Erstens ist es wahrscheinlich, dass die Beerdigung für Proteste genutzt wird – zumal Nawalny, zweitens, ohnehin schon zum zivilen Ungehorsam am Wahltag aufgerufen hatte.

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