Brüssel. Ungarn gibt den Weg für den Nato-Beitritt Schwedens frei. Für den Kremlchef ist die Norderweiterung der Allianz ein schwerer Schlag.

Es ist eine bittere Niederlage für den russischen Präsidenten Wladimir Putin: Vor zwei Jahren, kurz vor dem Überfall auf die Ukraine, wollte der Kremlherrscher mit seiner Kriegsdrohung die Nato unter Druck setzen, auf dass sie ihre Truppen aus Osteuropa zurückzieht und jede Erweiterung ausschließt. Erreicht hat Putin das Gegenteil: Nach Finnland tritt nun auch Schweden der Nato bei, um größtmöglichen Schutz vor einem möglichen Angriff Russlands zu erhalten.

Mit der Zustimmung des ungarischen Parlaments ist die letzte Hürde genommen. Die Erpressungsmanöver erst der Türkei und zuletzt Ungarns, die sich ihr Ja zu Schwedens Nato-Beitritt mit der Lieferung von Kampfflugzeugen abkaufen lassen, sind zwar ärgerlich, am Ende aber zählt der strategische Gewinn für die Allianz. Denn der ist enorm: Die Nato dehnt sich im Nordosten Europas umfassend aus, sie ist schon auf zusätzlich 1300 Kilometer direkt an die Grenze Russlands herangerückt.

Christian Kerl kommentiert den Nato-Beitritt Schwedens.
Christian Kerl kommentiert den Nato-Beitritt Schwedens. © FMG | FMG

Mehr noch: Die Ostsee steht nun fast vollständig unter Nato-Kontrolle. Vor allem die starken Luft- und Seestreitkräfte Schwedens und Finnlands erhöhen massiv die Sicherheit in der Ostsee-Region, auch die des Baltikums, das im Fall eines Angriffs nun von mehreren Seiten Hilfe bekäme.

Putin hat Konfrontation mit der Nato vermieden – aber bleibt das so?

Als die beiden skandinavischen Länder vor bald zwei Jahren beschlossen, unter den Schutzschirm der Nato zu schlüpfen, befürchteten sie noch Putins Rache: Provokationen, Cyberangriffe, Sabotageakte. Die sind ausgeblieben. So wie Putin bislang jede Konfrontation mit der Nato vermieden hat. Das muss nicht zwingend so bleiben. Im unwahrscheinlichen Fall, dass der Kremlherrscher den Ukraine-Krieg gewinnen sollte, könnte die Aggressivität Russlands noch zunehmen. Die Nato stärkt deshalb zu Recht ihre Abwehrbereitschaft gegen Erpressungsversuche an der Ostflanke.

Aber das heißt nicht, dass das Bündnis eines seiner Mitglieder unmittelbar durch Russland bedroht sieht, das hat Nato-Chef Stoltenberg jetzt noch einmal klarstellt. Schon gar nicht steht bald „der Russe vor Berlin“, wie es in überdrehten Debattenbeiträgen heißt. Die Abschreckung der Nato funktioniert gut und zuverlässig. Und der Beitritt Schwedens beweist aufs Neue: Die Allianz wird seit dem Ukraine-Krieg nicht schwächer, sondern stärker. Schlimmer konnte sich Putin nicht verrechnen.

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