Peking. Baerbock spricht in China heikle Themen an. Ihr Amtskollege sagt: „Was China am wenigsten braucht, ist ein Lehrmeister des Westens“.

Die Kulisse ist idyllisch. An den Rednerpulten sind bunte Blumengestecke befestigt. An der Wand dahinter hängt ein großes Bild mit nebelverhangenen Bergen. Das Staatsgästehaus des chinesischen Außenministeriums Diaoyutai in Peking enthält viele Symbole der Harmonie. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) versucht es zu Beginn der Pressekonferenz mit ihrem chinesischen Amtskollegen Qin Gang mit dem Prinzip Annäherung.

„Lieber Herr Kollege Qin Gang“, sagt sie am Freitagnachmittag. „Ich freue mich sehr, China nach Aufhebung der Pandemie-Beschränkung zu besuchen.“ Die Volksrepublik und Deutschland hätten das Potenzial, bei grünen Technologien und beim Kampf gegen den Klimawandel zusammenzuarbeiten.

China: Baerbock argumentiert höflich, aber hart in der Sache

Doch dann ist Schluss mit Nettigkeiten. Es folgt ein Pingpong-Spiel an Argumenten – distanziert-höflich im Ton, aber hart in der Sache. Die Welt frage sich nun, wie China seinen wachsenden Einfluss nutzen werde. Davon hänge ab, wie hoch die wirtschaftliche Verflechtung zwischen China und Deutschland sein könne. „Wir haben durch unsere Abhängigkeit von Russland einen hohen Preis bezahlt“, hebt Baerbock hervor. Sie spricht ruhig, blickt ernst.

Die Ministerin fordert „faire Investitionsbedingungen“ für deutsche Unternehmen in China – eine indirekte Kritik an der zunehmenden Abschottung des chinesischen Marktes für Ausländer. Qin steht regungslos daneben, zuckt mit keiner Miene. China ist der wichtigste Handelspartner Deutschlands. Würden Sanktionen gegen Peking verhängt – etwa nach einer Invasion in Taiwan – kämen deutsche Firmen in heftige Turbulenzen.

Baerbock mit klarer Kritik – Chinas Außenminister lächelt

Beim Thema Ukraine-Krieg nimmt Baerbock die Volksrepublik in die Pflicht. „Kein anderes Land hat mehr Einfluss auf Russland als China“, erklärt sie. Mit den Rechten eines ständigen Mitglieds des UN-Sicherheitsrats gehe auch „eine besondere Verantwortung“ einher. Qin schaut kurz zu Baerbock herüber und lächelt.

Der chinesische Außenminister Qin Gang (R) und Bundesaußenministerin Annalena Baerbock fanden in Peking klare Worte.
Der chinesische Außenminister Qin Gang (R) und Bundesaußenministerin Annalena Baerbock fanden in Peking klare Worte. © AFP | Suo Takekuma

„Was China am wenigsten braucht, ist ein Lehrmeister des Westens“, kontert er. Mit Blick auf die „Ukraine-Krise“ – das Wort „Krieg“ vermeidet er – fügt er hinzu, „Friedensgespräche und politische Lösungen“ seien der einzig gangbare Weg. Territorium sei genauso unteilbar wie Sicherheit. Ein verdeckter Hinweis, dass die russischen Sicherheitsinteressen im Westen nicht ernst genommen würden.

Auch beim Thema Taiwan kreuzen sie rhetorisch die Klingen

Ein Narrativ, das der russische Präsident Wladimir Putin gerne hören dürfte. Immerhin lässt sich Qin zu der Aussage hinreißen: „Wir werden keine Waffen an Konfliktparteien liefern. Wir kontrollieren dual-use-Güter gesetzmäßig.“ Ein blankes Nein, dass China Güter nach Russland liefert, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können, ist das nicht.

Baerbock hört sich die länglichen Ausführungen ihres chinesischen Kollegen an. Sie lächelt kaum. Auch beim Thema Taiwan kreuzen die beiden rhetorisch die Klingen. Baerbock warnt vor einer „Eskalation“ – eine Chiffre für den Einmarsch Chinas auf der Insel. Es sei ein „Horrorszenario“, das „Schockwellen einer Weltwirtschaftskrise“ auslösen würde. Sowohl Deutschland als auch China wären betroffen. Qin schaut irritiert in Richtung Baerbock und antwortet knochentrocken: „Taiwan ist ein nicht abzuspaltender Teil von China.“

Staatsbesuch in China: Baerbocks Tonlage ist gemäßigter als früher

Auch das Kapitel Menschenrechte spricht Baerbock an. „Wir sehen mit Sorge, dass Freiräume für zivilgesellschaftliches Engagement immer mehr schwinden“, betont sie. Und kommt dabei auch auf die Lage der Uiguren, die unterdrückte muslimische Minderheit in der autonomen Provinz Xinjiang.

NameAnnalena Baerbock
Geburtsdatum15. Dezember 1980
SternzeichenSchütze
AmtAußenministerin
ParteiBündnis 90/Die Grünen
Parteimitglied seit2005
FamilienstandVerheiratet, zwei Kinder
Größe1,60 Meter
WohnortPotsdam

In Deutschland meldet sich FDP-Fraktionschef Christian Dürr während der Baerbock'schen China-Visite zu Wort. Dürr forderte im Gespräch mit dieser Redaktion einen neuen Umgang mit der Volksrepublik. Die Außenministerin habe in China klare Worte gefunden. "Wichtig ist, dass diesen Worten auch Taten folgen", sagte Dürr. "Wir brauchen eine echte China-Strategie, die auf unseren liberalen Werten beruht und gleichzeitig dafür sorgt, dass die strategischen Interessen Deutschlands als Teil der EU geschützt werden."

Dürr forderte außerdem: "Wir dürfen gegenüber China nicht blauäugig auftreten, sondern sollten gemeinsam mit unseren westlichen Partnern für eine international regelbasierte Ordnung eintreten." Es brauche eine "Allianz der Demokratien" mit Ländern wie Japan, den USA und Kanada. Diese müssten Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte über die Grenzen der EU hinaus bewerben. Dafür solle Baerbock werben.

Die Außenministerin redet in Peking Klartext, aber in ihrer Tonlage steckt nicht mehr die Schärfe früherer Tage. Im August verglich sie den russischen Angriffskrieg in der Ukraine mit den militärischen Drohgebärden Chinas gegenüber Taiwan. „Wir akzeptieren nicht, wenn das internationale Recht gebrochen wird und ein größerer Nachbar völkerrechtswidrig seinen kleineren Nachbarn überfällt – und das gilt natürlich auch für China“, wetterte sie. Dampfhammer-Rhetorik war damals Baerbocks Markenzeichen.

Macron hatte Europa gewarnt

Bei ihrer Visite in China absolviert Baerbock ein breites Programm. Sie besucht deutsche Unternehmen aus den Bereichen Windkraft, E-Mobilität und Automobil. Sie trifft sich mit NGOs zur Klimapolitik sowie mit einem Experten, der sie über Techniken des chinesischen Überwachungsstaats informiert.

Außenministerin Annalena Baerbock (M) besichtigt mit dem chinesischen Außenminister Qin Gang (r) das Unternehmen Vitesco Automotive.
Außenministerin Annalena Baerbock (M) besichtigt mit dem chinesischen Außenminister Qin Gang (r) das Unternehmen Vitesco Automotive. © dpa | Soeren Stache

Das politische Pathos aus früheren Tagen scheint die Ministerin abgelegt zu haben. Ihre gemäßigtere Tonlage hat auch mit der schrillen Solonummer von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zu tun. Der hatte kürzlich davor gewarnt, dass sich Europa nicht in eine Konfrontation zwischen Amerika und China hineinziehen lassen dürfe. Es bestehe die Gefahr, dass die Europäer zum „Vasallen“ der USA werde.

„Deutschland und China sind durch Nüchternheit und Vernunft geprägt“

Baerbock spielt in Peking den Auftritt des egozentrischen Franzosen zwar herunter. Aber sie verspürt den Druck, die Wogen zu glätten. Sie unterstreicht die einheitliche China-Position in der EU – und betont indirekt den Schulterschluss mit Amerika.

Der chinesische Außenminister bemüht sich am Ende zumindest stilistisch um einen versöhnlichen Abgang. „Die Welt scheint immer unvernünftiger zu werden“, bemerkt er. „Deutschland und China sind durch Nüchternheit und Vernunft geprägt. Beide Länder verfügen über viele Philosophen und Denker wie Kant und Hegel oder Konfuzius und Lao Tse.“ Gute Wünsche am Ende eines Nachmittags mit Rede und Gegenrede.

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