Berlin. Verbraucherzentralen haben 33 Nahrungsergänzungsmittel für Kinder untersucht – und kommen dabei zu teils bedenklichen Ergebnissen.

Ob Vitamine oder Mineralstoffe: Viele Menschen nehmen regelmäßig Nahrungsergänzungsmittel wie Vitamin C, D und B, Eisen, Magnesium oder Pflanzenextrakte zu sich – in dem Glauben, dass sie damit ihre Gesundheit oder Fitness verbessern können. Immer öfter richten Unternehmen ihre Produkte speziell auch an Kinder. Angeboten werden etwa Multivitamine als Gummibärchen, Kaudragees, Lutschtabletten, Gelee oder Säfte, die eher wie Süßigkeiten statt wie Nahrungsergänzungsmittel aussehen.

Nicht selten werben sie mit dem Versprechen, Wachstum, Knochenentwicklung, das Immunsystem oder die kognitive Entwicklung von Kindern zu fördern. Verbraucherschützer sehen dieses Geschäft jedoch kritisch und warnen vor möglichen Gesundheitsgefahren. „Nahrungsergänzungsmittel sind oft teuer, nutzlos oder sogar gesundheitlich bedenklich“, sagt die Vorständin der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), Ramona Pop, dieser Redaktion. Dies gelte besonders für Jüngere.

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„In der Regel benötigen Kinder keine Nahrungsergänzungsmittel. Sie sollten nur nach ärztlicher Absprache verabreicht werden“, so Pop. Denn generell gebe es keine allgemeine Unterversorgung der Bevölkerung mit Nährstoffen. Ein weiteres Problem: Nahrungsergänzungsmittel unterliegen keinerlei Zulassungsverfahren. Sie werden von Behörden weder auf Sicherheit noch auf Wirksamkeit geprüft.

Kinder: Vitamine sind oft zu hoch dosiert

Ein aktueller Marktcheck der Verbraucherzentralen, bei dem 33 Nahrungsergänzungsmittel untersucht wurden, hat nun bedenkliche Ergebnisse zutage gefördert: Zahlreiche Produkte werben mit unzulässigen Gesundheitsversprechen oder enthalten zu hohe Dosierungen.

So überschreiten 23 Produkte die Vitamin- und Mineralstoff-Referenzwerte der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) für Vier- bis Siebenjährige. Das betrifft laut vzbv vor allem die Dosierung von Vitamin C, B, A, E und K sowie für die Mineralstoffe Zink, Mangan und Selen.

Marktcheck der Verbraucherzentralen: Diese Nahrungsergänzungsmittel für Kinder wurden unter anderem untersucht.
Marktcheck der Verbraucherzentralen: Diese Nahrungsergänzungsmittel für Kinder wurden unter anderem untersucht. © Verbraucherzentrale | Verbraucherzentrale

Sechs Angebote liegen sogar über den vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) vorgeschlagenen Höchstmengen für Nahrungsergänzungsmittel für über 15-Jährige. Betroffen waren unter anderem die Dosis von Vitamin B6, Folsäure, Vitamin E, K2, K, Mangan und Zink. Dabei sollte Kupfer laut BfR in Kinder-Produkten überhaupt nicht enthalten sein, so der Marktcheck. Weitere sieben Produkte erreichten den Höchstwert.

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57 Prozent der Magnesium-Produkte überschritten die empfohlene Tageshöchstmengen. Eine erhöhte Magnesium-Zufuhr kann wiederum nicht nur Magen- und Darmbeschwerden verursachen, sondern auch die Wirkung einiger Arzneimittel reduzieren.

Kinder: Gummibärchen-Form erinnert eher an Süßigkeiten

Besonders problematisch ist aus Sicht der Verbraucherschützer auch die Kinder-Optik. Mal sind auf den Produkten Comic-Figuren oder bunte Schriften aufgedruckt und vermitteln dadurch den Eindruck, sie förderten die Lebensfreude, Intelligenz und Lernleistung von Kindern, heißt es in dem Marktcheck. 22 Produkte werden wie Süßigkeiten präsentiert – als Gummibärchen oder Kaubonbons in fruchtig-süßen Geschmacksrichtungen. „Das kann sowohl zu Verwechslungen mit Süßigkeiten führen als auch zu überhöhtem Konsum und damit zur Überdosierung verleiten“, so der vzbv.

In der Regel benötigen Kinder keine Nahrungsergänzungsmittel, sagen die Verbraucherzentralen.
In der Regel benötigen Kinder keine Nahrungsergänzungsmittel, sagen die Verbraucherzentralen. © iStock | istock

Nahrungsergänzungsmittel sind in Deutschland ein Milliardengeschäft. 2022 wurden Produkte für knapp 1,8 Milliarden Euro verkauft, berichtet der Lebensmittelverband Deutschland. Besonders gefragt sind die Vitamine C und D, Multivitamine sowie Magnesium. Vitamin B12 werde insbesondere von Veganern gekauft. Viele Artikel werden in Drogeriemärkten, im Lebensmitteleinzelhandel und übers Internet vertrieben. „Nahrungsergänzungsmittel sollen die allgemeine Ernährung ergänzen, das ist ihr Zweck“, sagt der Geschäftsführer des Lebensmittelverbands, Peter Loosen, dieser Redaktion.

„Wenn sich alle Menschen ideal ernährten, bräuchten sie keine Nahrungsergänzung“, sagt der Geschäftsführer weiter. „Der Europäische Gesetzgeber hat aber bereits vor über 20 Jahren erkannt, dass dieser „Idealfall“ nicht der Wirklichkeit entspricht. Er hat deshalb den Rechtsrahmen für die neue Lebensmittelkategorie Nahrungsergänzungsmittel geschaffen, der dafür sorgt, dass nur ,sichere‘ Nahrungsergänzungsmittel vermarktet werden dürfen.“

Nahrungsergänzungsmittel: Auch Hersteller für Höchstmengen

Laut Lebensmittelverband enthalten Nahrungsergänzungsmittel „ernährungsphysiologisch wirksame Nährstoffe in konzentrierter und dosierter Form“. Es sind aber keine Arzneimittel. Die Verbraucherzentralen fordern unterdessen, Regelungslücken zu schließen. Damit sich Konsumenten nicht durch Werbeaussagen in die Irre führen lassen, fordern sie die Lebensmittelüberwachung auf, „unzulässige Gesundheitsangaben auf solchen Produkten zu ahnden“.

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Zudem sollte eine Meldestelle die Neben- und Wechselwirkungen von Nahrungsergänzungsmitteln in Kombination mit Medikamenten erfassen, da viele Menschen diese nach eigenem Ermessen einnehmen. Viele Nahrungsergänzungsmittel könnten die Wirksamkeit von Arzneimitteln beeinträchtigen. Wichtig sei zudem, verbindliche Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe festzulegen, sagt die vzbv-Vorständin Pop. Diese müssten nach Altersgruppe differenziert werden, um gesundheitliche Risiken für Kinder zu vermeiden. Die Hersteller unterstützten eine Festlegung europäischer Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe.

„Leider haben sich die EU-Mitgliedsstaaten bislang nicht auf solche verständigen können“, sagt Verbandschef Loosen. „Bis es soweit ist, tragen die Hersteller die Verantwortung für die Sicherheit der Produkte und orientieren sich dabei vor allem an den Festlegungen der Wissenschaft zu sicheren Höchstmengen.“

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