Stuttgart/Berlin. Ein Energieberater hat mein über 100 Jahre altes Elternhaus seziert. Bilanz: Für die Sanierung wird eine sechsstellige Summe fällig.
- Die Sanierung eines Altbaus kann teuer werden, insbesondere wenn das Heizsystem erneuert werden muss
- Viele Besitzer von älteren Häusern fürchten deshalb die energetische Sanierung
- Ein Energieberater hat das Elternhaus unserer Autorin seziert. Sein Ergebnis ist erschreckend
Das Haus ist ein Kleinod. Nicht nur wegen der Lage: Mitten in der Stuttgarter Innenstadt liegt es auf einem Hügel in einer ruhigen Straße mit Blick über die Stadt. Ein großer Garten hinterm Haus, grüne Kleingärten davor. Erbaut wurde das Haus kurz nach dem ersten Weltkrieg, wohl um das Jahr 1920. Es ist aus Holz und die Dielen knarren gemütlich bei jedem Schritt. Es ist mein Elternhaus. Und ich frage mich: Wird es die Heizungs- und Klimawende, so wie die Ampel-Koalition es sich vorstellt, überstehen?
Meine Eltern haben das Haus gekauft, als meine älteste Schwester zur Welt kam. Heute toben ihre Kinder hier herum und suchen zu Ostern Eier im Garten. Das Haus hat die Energieklasse G oder H - dunkelroter Bereich. Bedenkt man die Pläne des EU-Parlaments, das eine Sanierungspflicht für alte Gebäude will, die eine schlechte Energiebilanz haben, wird einem Angst und Bange.
Der Gesetzesvorschlag sieht vor, dass schon bis 2030 alle Wohnimmobilien die EU-Energieklasse E erreichen müssen, bis 2033 sogar die Klasse D: Das hieße, dass sich der Heizaufwand pro Quadratmeter oft mehr als halbieren müsste, was die bessere Dämmung von Dach und Wänden, neue Fenster oder neue Heizungsanlagen voraussetzt. Was müssten wir alles in unserem Haus sanieren und modernisieren, um diesen neuen Standards gerecht zu werden?
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Die Sanierung eines 100-jährigen Hauses ist ein Kraftakt
Diese Frage stelle ich gemeinsam mit meiner Mutter dem Energieberater Mark Steiger. Entgegen meiner Befürchtung schlägt er nicht die Hände über dem Kopf zusammen und schlägt den kompletten Abriss vor, als er das Haus betritt. Im Gegenteil: Er lobt den guten Zustand. Aber man merkt schnell: Verbesserungspotenzial hat das Haus in energetischer Hinsicht auf jeden Fall.
Wir beginnen unseren Rundgang durchs gut 100-jährige Haus im Keller. Hier wurde vor 15 bis 20 Jahren eine neue Gastherme eingebaut – so genau erinnern sich meine Eltern nicht mehr. Der Zustand der Therme sei okay, sagt Steiger. Er empfiehlt jedoch, die Leitungen besser zu dämmen. Er vergleicht sie mit einem Wintersportler: „Wenn Sie als Skifahrer keine Jacke anhaben, dann wird es an den Armen auch kalt.“ Will sagen: Dämmung um die Leitungen bedeutet weniger Energieverlust und gleichzeitig mehr Wärme.
Heizung | Kosten in EUR |
Ölheizung | ab ca. 8.000 |
Gasheizung | ab ca. 7.000 |
Holz- oder Pelletheizung | ab ca. 10.000 |
Nah- und Fernwärme | ab ca. 5.000 |
Wasserstoffheizung | ab ca. 30.000 |
Solarthermie | ab ca. 10.000 |
Luft-Wasser-Wärmepumpe | 8000 bis 16.000 |
Erdwärmepumpe | 12.000 bis 15.000 (ohne Erschließung) |
Grundwasser-Wärmepumpe | 9000 bis 12.000 (ohne Erschließung) |
Zu beachten ist: Die Kosten in dieser Tabelle sind durchschnittliche Werte und können im individuellen Fall abweichen. Nicht beachtet werden zudem die Kosten für die Installation oder einen nötigen Umbau/Sanierung. Auch Förderungen werden nicht berücksichtigt.
Wann eine Wärmepumpe Sinn macht
Steiger betont aber auch die Möglichkeit, eine Wärmepumpe einzubauen – trotz des hohen Alters des Hauses. Nach Gesetzesplänen der Bundesregierung soll von 2024 an möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Dann müssen etwa Wärmepumpen, Solarthermieanlagen oder Hybridsysteme aus Wärmepumpe und Gasheizung eingebaut werden. Bestehende Öl- und Gasheizungen können weiter laufen, kaputte Heizungen dürfen repariert werden. Ist dies nicht möglich, sollen Übergangsfristen greifen. Der Austausch soll staatlich gefördert werden.
Meine Eltern sind über 70 Jahre alt – die Befreiung von der neuen Heizungspflicht liegt für sie in greifbarer Nähe. Der Gesetzesvorlage zufolge sind über Achtzigjährige von den Vorschriften ausgenommen, sie können sich also auch 2024 und danach noch neue Gas- oder Ölheizungen einbauen lassen. Wird ihr Haus aber verkauft oder vererbt, müssen jüngere Neueigentümer innerhalb von zwei Jahren das 65-Prozent-Ziel erfüllen.
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Steiger erzählt, dass er im Schnitt ein bis zwei Hausbegehungen samt Beratungen in der Woche macht. Die häufigsten Fragen drehten sich dabei um den Einbau von Wärmepumpen oder neue Fenster. Sein Fazit: „80 bis 90 Prozent der Kunden wollen anschließend sanieren.“
Kostenpunkt für Wärmepumpe plus neue Heizkörper: rund 100.000 Euro
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Steiger, Mitglied im Gebäudeenergieberater Ingenieure Handwerker Bundesverband (GIH) Baden-Württemberg, einem Fachverband für Energieberater, erklärt die unterschiedlichen Möglichkeiten, um mit einer Wärmepumpe zu heizen. Er schlägt eine Luft-Wärmepumpe vor für unser Haus. Eine Fußbodenheizung kommt nicht infrage. Entweder müsste man parallel zur neuen Wärmepumpe größere Heizkörper einbauen. Steiger aber schlägt eine Deckenheizung vor. „Die Kraft der Sonne kommt ja auch von oben“, sagt er. Die Kosten insgesamt würden wohl bei rund 100.000 Euro liegen.
Das Gute: „Würden Sie eine Wärmepumpe einbauen, dann wären Sie wahrscheinlich in der Energieklasse C mit dem Haus. Dass es jetzt so schlecht bewertet wird, liegt an der Gastherme“, erklärt Steiger. Zum letzten Mal gedämmt wurde das Gebäude vor gut 35 Jahren beim Einzug meiner Eltern, als sie das Haus renoviert haben. „Die Dämmung hält“, sagt der Energieberater und erklärt: „Die Dämmung wird nicht schlecht, solange sie nicht durch Ungeziefer wie Ratten oder Mäuse zerstört wird.“ Trotzdem würde man heute wohl moderneres Dämmmaterial verwenden, das die Energie im Haus besser speichern kann.
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Neues Dach, neue Fenster, neue Gebäudehülle: Das muss gemacht werden
Eine echte Schwachstelle ist jedoch das Dach. Es wurde zuletzt vor etwa 30 Jahren neu gemacht. Davor hatte es gar keine Dämmung, seitdem eine relativ schwache. Im Sommer wird es im ausgebauten Dachstuhl extrem heiß, im Winter kühlt es hier schnell ab. Laut Steiger ein Indiz dafür, dass die Dämmung unzureichend ist. Er schätzt, dass deshalb hier rund 20 bis 30 Prozent Energie verloren gehen. Um das genau herauszufinden, müsste man teilweise die Dachziegel abnehmen und sich anschauen, was sich darunter befindet. Immerhin: Bei den Ziegeln haben meine Eltern vor 30 Jahren nicht gespart. Steiger lobt sie und sagt, sie seien „wie ein Mercedes, der läuft immer“.
Insgesamt zieht es einem bei der Rechnung, die Steiger für die energetische Sanierung des Hauses aufmacht, die Holzdielen unter den Füßen weg: Er empfiehlt nach Dringlichkeit geordnet das Dach zu dämmen. Über den Daumen gerechnet würde das in Stuttgart pro Quadratmeter rund 500 Euro kosten. Er schätzt unser Dach auf 150 Quadratmeter. Außerdem würde er alle Fenster im Haus mit dickeren austauschen; er überschlägt, dass das in unserem Fall etwa 70 Quadratmeter wären.
Jeder Quadratmeter kostet etwa 1500 Euro. Die Gebäudefassade – insgesamt circa 160 Quadratmeter – müsste gedämmt werden. Kostenpunkt: Etwa 220 Euro pro Quadratmeter. Zuletzt schlägt er noch vor, die rund 70 Quadratmeter große Kellerdecke zu dämmen, was etwa 70 Euro pro Quadratmeter kosten würde. Insgesamt wären das rund 220.000 Euro. Ohne Wärmepumpe.
Ich bin beeindruckt, wie ruhig meine Eltern bleiben. Meine Mutter erklärt: Eine Sanierung kommt in ihrem Alter nicht mehr infrage. Ob es sich aber meine Schwestern und ich, wenn meine Eltern mal nicht mehr in dem Haus leben, leisten können, es energetisch zu sanieren – diese Frage kann mir der Energieberater auch nicht beantworten.