Berlin. Was bedeutet der Fall Graichen für die Energiewende? Bei “Hart aber fair“ tritt die absurde Lage der Ampel-Koalition offen zutage.

Der Fall Graichen ist für Robert Habeck zu einem grundsätzlichen Problem geworden. Seine politischen Gegner nutzen die Affäre, um die gesamte Energiewende zu diskreditieren. Sind die Pläne am Ende nicht einfach das Hirngespinst einer grünen Lobby, die sich Posten und Aufträge zuschanzt? So lautet sinngemäß der Vorwurf. Mit dem Thema beschäftigte sich am Montagabend auch die Runde beim ARD-Talk "Hart aber fair".

"Hart aber fair": Diese Gäste waren am Montag dabei

  • Katrin Göring-Eckhardt (Grüne): Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags
  • Christian Dürr (FDP): Fraktionsvorsitzender der Liberalen
  • Julia Klöckner (CDU): Wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
  • Markus Feldenkirchen ("Spiegel"): Autor und Journalist
  • Hermann-Josef Tenhagen ("Finanztip): Wirtschaftsjournalist
Louis Klamroth, neuer Moderator der ARD-Polit-Sendung
Louis Klamroth, neuer Moderator der ARD-Polit-Sendung "Hart aber fair". © Carsten Koall/dpa

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Hat Robert Habeck zu lange an Patrick Graichen festgehalten?

Einen wichtigen Punkt machte gleich zu Beginn Herrmann-Josef Tenhagen: Natürlich ist die Energiewende nicht im Eimer, nur weil ein Staatssekretär im Wirtschaftsministerium abtreten muss. "Es gibt ja wohl hoffentlich noch andere kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ministerium", sagte der Chefredakteur von "Finanztip".

Da hatte er natürlich einen Punkt. Allerdings ist das Einfallstor für die Kritiker von Robert Habeck durchaus groß. "Es gibt ein einflussreiches Netzwerk von Gleichgesinnten, die haben Einfluss im Wirtschaftsministerium", sagte Julia Klöckner exemplarisch. Es gehe um Transparenz und die Frage, ob die Bürger den Entscheidungen des Ministeriums noch vertrauen könnten, befand die CDU-Politikerin.

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Und natürlich geht es auch um den Wirtschaftsminister selbst. "Robert Habeck hat zu lange an Graichen festgehalten", sagte der Spiegel-Autor Feldenkirchen. Das hätte ihm nicht passieren dürfen, auch weil völlig klar sei, dass er mit seinen Plänen Widerstand erzeuge. "Die Glaubwürdigkeit ist, wenn man ganz, ganz viel will, natürlich entscheidend."

Habecks Heizungsgesetz: Die FDP will nachbessern

Soweit so klar, doch was wird nun aus dem Heizungsgesetz? Die Grünen wollen es schnell durch den Bundestag bringen. Katrin Göring-Eckardt räumte dabei zunächst einen Fehler ein: Es sei falsch gewesen, die Heizungsfrage nicht auch gleich sozial zu denken – also im Hinblick auf die konkrete Förderung. Nun aber müsse es schnell gehen, auch weil fossile Brennstoffe durch den steigenden CO2-Preis sicher sehr viel teurer werden. Dem stehe aber eine große fossile Lobby gegenüber, die auf alten Antworten beharre. "Doch das wird nicht funktionieren", warnte die Grüne.

Das Argument verfängt allerdings schon beim Koalitionspartner nicht. Die FDP will laut ihrem Generalsekretär ein neues Gesetz. Also alles von vorn? Christian Dürr wollte das so nicht bestätigen. Allerdings werde es im parlamentarischen Prozess einige Änderungen geben, kündigte der FDP-Fraktionschef an. Und führte als ein Beispiel die mittlerweile legendäre "Technologieoffenheit" an – das Heizungsgesetz soll sich also nicht nur auf die Wärmepumpe fokussieren.

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Wer kriegt bei der Wärmewende wie viel Förderung?

Die von Göring-Eckardt als Schwachstelle benannte soziale Frage wurde auch in dieser Runde wieder als großer Schwachpunkt des geplanten Gesetzes deutlich. Denn wer am Ende wie viel Förderungen kriegen wird, ist nach wie vor völlig unklar.

Auch hier gehen die Vorstellungen bei den Grünen und der FDP auseinander. Während Göring-Eckardt für eine Staffelung anhand des Einkommens warb und Geringverdienern sehr hohe Zuschüsse zubilligen möchte, warnte Dürr vor enormen Kosten – und favorisiert eine einheitliche, wohl einkommensunabhängige Förderung.

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Heizungsgesetz: Handwerkliche Fehler treffen auf unverantwortliche Machtpolitik

Diese Ausgabe von "Hart aber fair" zeigte: Die Grünen stehen auch ohne Graichen unter Druck, denn die Wärmewende ist dringend nötig und zugleich ein Stachel in ihrem Fleisch. Diesen nutzt die FDP nur zu gern, was die absurde Folge hat, dass die Liberalen eine Quasi-Opposition innerhalb der Bundesregierung sind.

Handwerkliche Fehler auf der einen Seite, unverantwortliche Machtpolitik auf der anderen: Die Ampel gibt derzeit kein gutes Bild ab. Das ist keine neue Erkenntnis, doch half die Runde dabei, es sich mal wieder vor Augen zu führen.

Zur Ausgabe von „Hart aber fair“ in der ZDF-Mediathek.