Madrid. In Spanien wird gewählt – und die rechtspopulistische Vox-Partei hat gute Chancen aufs Mitregieren. Was das heißt, zeigt Mallorca.

Der Rechtsruck auf Mallorca und den benachbarten Urlaubsinseln Ibiza, Menorca und Formentera begann mit einem Paukenschlag: Die neue konservative Regierungschefin der Balearischen Inseln, Marga Prohens, schaffte das Umweltministerium ab. Ein Signal dafür, dass dem Natur- und Klimaschutz künftig auf den spanischen Mittelmeerinseln geringerer Stellenwert eingeräumt wird.

Der ökologische Rückfall des Ferienparadieses, in dem bisher ein rot-grünes Bündnis regiert hatte, nimmt vorweg, was sich in ganz Spanien abspielen dürfte, wenn die nationale Parlamentswahl am Sonntag einen Machtwechsel bringt. Umfragen sagen, dass der konservative Block aus der großen christdemokratischen Volkspartei (PP) und der kleineren Rechtsaußenpartei Vox gewinnen wird. Vox liegt auf einer Linie mit der deutschen AfD oder Frankreichs Rassemblement National von Marine le Pen.

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Eine absolute Mehrheit dieses Mitte-rechts-Blocks, der vom PP-Spitzenmann Alberto Núñez Feijóo angeführt wird, gilt als wahrscheinlich. Im Wahlkampf machte Feijóo klar, dass er zwar lieber alleine regieren möchte. Aber vermutlich wird er für die Machtübernahme die Hilfe von Vox brauchen. Berührungsängste mit den Rechtspopulisten hat der Konservative nicht – anders als etwa die deutsche CDU.

Künftig soll in den Hafen von Palma wieder eine unbegrenzte Zahl an Kreuzfahrtschiffen einlaufen dürfen.
Künftig soll in den Hafen von Palma wieder eine unbegrenzte Zahl an Kreuzfahrtschiffen einlaufen dürfen. © dpa | Clara Margais

Mallorca: Radikaler Kurswechsel – mit Folgen

Auf Mallorca, wo neuerdings eine konservative Minderheitsregierung mit Duldung von Vox amtiert, kann man sehen, was das bedeutet: In dem Pakt, den PP und Vox schlossen, wird ein radikaler Kurswechsel festgeschrieben. So ist etwa von den bisher geltenden wichtigen Zielen Klimaschutz, Energiewende und Nachhaltigkeit keine Rede mehr – und das zeigt sich bereits an einigen Stellen.

Ein paar Beispiele:

  • Alle von der früheren Mitte-links-Regierung verhängten Moratorien sollen fallen. Moratorien, mit denen bislang die Zahl der Touristenbetten und die Ausweitung der Hotelbauten gebremst wurden, um den Massentourismus auf einem verträglichen Niveau zu halten.
  • In Mallorcas Inselhauptstadt Palma soll das bisherige Geschwindigkeitslimit von 80 auf der Stadtautobahn fallen. Künftig wird dort wieder Tempo 120 gelten. Auch die Öko-Spezialspur auf der Flughafenautobahn, die für Busse, Taxis und Pkws mit mindestens zwei Insassen reserviert war, verschwindet.
  • Die geplante Straßenbahnstrecke von Palmas City zum Airport und zur Playa de Palma, für die EU-Mittel bereitstehen, soll ebenfalls gekippt werden. Genauso wie das Limit für Kreuzfahrtschiffe, die im Hafen von Mallorcas Hauptstadt gigantische Dieselabgaswolken ablassen und als „Dreckschleudern“ gelten. Derzeit dürfen nur drei Ozeanriesen pro Tag anlegen.

Vox-Chef Santiago Abascal spricht von „Klimafanatismus“

Mallorcas Rückwärtsrolle ist kein Einzelfall. Nachdem Spaniens Konservative Ende Mai die Kommunal- und Regionalwahlen gewannen, wurden bisher in 130 spanischen Rathäusern und drei Regionen Regierungspakte mit Vox geschlossen – vielerorts wird die Zeit dadurch zurückgedreht. In der Mittelmeerstadt Elche werden zum Beispiel Radwege beseitigt, um Autos mehr Platz einzuräumen. In der zentralspanischen Stadt Valladolid müssen verkehrsberuhigte Umweltzonen, in denen „Stinker“-Fahrzeuge verboten sind, weichen.

Adiós, Umweltschutz – so will es Vox für ganz Spanien. Die Rechtspopulisten, die den wissenschaftlich belegten Klimawandel leugnen, fordern die „sofortige Abschaffung sämtlicher Klimagesetze“. Warum? Weil diese Gesetze Spanien von der EU und der UN-Klimakonferenz aufgezwungen worden seien und den Interessen der nationalen Wirtschaft widersprächen. Umweltschutz ist für Vox-Chef Santiago Abascal „Klimafanatismus“. Die europaweit angestrebte Energiewende bezeichnet er als „ideologischen Irrsinn“. Ohnehin ist ihm die EU suspekt: Abascal fordert, dass künftig wieder spanisches Recht vor EU-Recht gelte.

Santiago Abascal, Chef der rechtsnationalen Partei Vox in Spanien, will nach den Wahlen mitregieren. Vox ähnelt der deutschen AfD oder Frankreichs Rassemblement National von Marine le Pen.
Santiago Abascal, Chef der rechtsnationalen Partei Vox in Spanien, will nach den Wahlen mitregieren. Vox ähnelt der deutschen AfD oder Frankreichs Rassemblement National von Marine le Pen. © AFP | JAIME REINA

Ähnlich scharf schießt Abascal gegen die Gleichstellungspolitik, die unter dem seit fünf Jahren in Spanien regierenden Sozialdemokraten Pedro Sánchez für Aufsehen sorgte. Spaniens Bekämpfung von Männergewalt gegen Frauen gilt als vorbildlich. Die Gleichstellung von Frauen in Beruf und Gesellschaft wurde unter Sánchez ausgeweitet, ebenso die Rechtsgarantien für Homosexuelle und Trans-Menschen.

Spanien könnte in der Europa-Politik unberechenbar werden

Vox fordert die Streichung der Gleichstellungsnormen. Spaniens liberales Abtreibungsgesetz will die Partei ebenfalls kippen. Das Gleiche gilt für das Gesetz, das die Rechte von Trans-Personen und Homosexuellen garantiert. „Wir werden alle Behörden schließen, die bisher nur ideologische Propagandawerkzeuge der Regierung waren“, heißt es im Vox-Programm. Das wurde auf Mallorca bereits umgesetzt: Das regionale Gleichstellungsministerium existiert nicht mehr.

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Sollte Vox demnächst die nationale Politik mitbestimmen, könnte Spanien, das noch bis Ende Dezember die EU-Ratspräsidentschaft innehat, in der Europa-Politik ziemlich unberechenbar werden. Das trifft auch auf die Migrationspolitik zu. Vox lehnt den von den EU-Innenministern geschlossenen Asyl-Kompromiss strikt ab, der allerdings noch abschließend verhandelt werden muss. Die Partei folgt dabei dem Kurs von Polen und Ungarn.

Dieser Pakt sieht ein rasches Asylverfahren an den EU-Außengrenzen und eine gerechte Umverteilung von Asylsuchenden auf alle Mitgliedsstaaten vor. Vox-Europasprecher Jorge Buxadé gibt eine knallharte Linie vor: Statt die Aufnahme von Asylsuchenden zu regeln, müsse die EU sich durch Abschottung der Grenzen auf die Abwehr der „Immigranteninvasion“ konzentrieren – etwa mit einer Seeblockade durch Marineschiffe auf dem Mittelmeer.

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