Berlin. Er war Deutschlands beliebtester Politiker und jüngster Parlamentarier. Nun will der einstige Gesundheitsminister wieder an die Macht.

Einst war er Deutschlands beliebtester Politiker, sorgte mit vollen Masken-Lagern dafür, dass sich die Bürger in der ersten Pandemie seit Jahrhunderten kurzzeitig sicher fühlten. Dann kam der Fall und aktuell läuft die Neuerfindungsphase. Die Rede ist von Jens Spahn – der mit nur 37 Jahren Bundesgesundheitsminister im Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel war.

Ohne Krawatte und Sakko sitzt er in einer Bundestagssitzungswoche Ende April 2023 sehr entspannt im Büro, am späten Nachmittag will er sich auf den Weg zurück in den Wahlkreis machen, wo er zu einem Fest eingeladen ist. Sein Terminkalender weist zwar keine Lücken auf, ist aber lange nicht mehr so eng getaktet wie noch vor zwei Jahren. In seiner Amtszeit galt Spahn als Turbo-Minister.

Er ließ die Mitarbeiter seines Ministeriums für den Gesundheits- und Pflegebereich ein Gesetz nach dem anderen schreiben: das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz, ein Terminservicegesetz, mit dem Patienten schneller in die Sprechstunden kommen, das Masernschutzgesetz, das für Unruhen mit Impfgegnern unter Kindergarten-Eltern sorgte und mehr. Ab dem Frühjahr 2020 drehte sich die Arbeit des CDU-Politikers freilich nur um das Coronavirus und das Infektionsschutzgesetz.

Spendendinner, Villenkauf und die lahmende Impfkampagne machen Spahn unbeliebt

Monate vergehen mit Masken-Beschaffung, dem Kauf von Beatmungsgeräten – ein Leben im Rausch der schnellen Entscheidungen. Im Juli 2020 die erste unfreiwillige Zäsur: Spahn und sein Ehemann Daniel Funke kauften sich eine Villa im noblen Berliner Stadtteil Dahlem. Die stattliche Höhe des Kaufpreises und die Frage, wie das Paar die Finanzierung der benötigten 4,125 Millionen Euro stemmen konnte, wurde öffentlich heftig diskutiert.

Jens Spahn (CDU, r), ehemaliger Bundesminister für Gesundheit, hatte sich mit seinem Ehepartner Daniel Funke eine Villa am Rand von Berlin gekauft.
Jens Spahn (CDU, r), ehemaliger Bundesminister für Gesundheit, hatte sich mit seinem Ehepartner Daniel Funke eine Villa am Rand von Berlin gekauft. © dpa | Gregor Fischer

Im Oktober geriet der CDU-Politiker erneut in die Kritik: im Leipziger „Brückenkopf-Salon“ fand ein ominöses Spendendinner statt. Dabei überwiesen angeblich alle Teilnehmer 9999 Euro an Spahns CDU-Kreisverband Borken – einen Euro unterhalb der Grenze, ab der Parteien die Namen der Geldgeber offenlegen müssen. Tags darauf informierte das Ministerium, Spahn sei positiv auf Corona getestet worden. Ein Gesundheitsminister, der Vorsicht predigt und gleichzeitig die Kontaktbeschränkungsregeln für sich lax auslegt, das kam nicht gut an. Zum Jahreswechsel 2021 verkündete Spahn, dass der Bund bis zum Sommer allen ein Impfangebot machen wolle. Die Impfkampagne lief aber nur schleppend an, obwohl der Minister eifrig bestellt hatte.

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Karl Lauterbach (SPD, Mitte) beerbt Spahn im Amt des Bundesgesundheitsministers.
Karl Lauterbach (SPD, Mitte) beerbt Spahn im Amt des Bundesgesundheitsministers. © dpa | Bernd von Jutrczenka

Spahns Hochdruck-Phase endete schließlich am 8. Dezember 2021, als sein Nachfolger Karl Lauterbach (SPD) vereidigt wurde. „Es hat etwas gedauert, bis ich aus dem Krisen-Modus gefunden habe. In der Pandemie habe ich zwei Jahre hindurch unter Anspannung und Zeitdruck schwierige Entscheidungen treffen müssen.“ Er sei danach mit seinem Mann erstmal raus aus Berlin und viel spazieren gegangen, sagt der 42-Jährige. Auffällig war, wie radikal sich der CDU-Politiker knapp drei Monate lang aus der Öffentlichkeit zurückzog. Keine Talkshow, kein Zeitungsinterview.

Dieses Abklingen „war nötig“, sagt er. Nach der Wahlniederlage für die Union sind viele in der Partei nicht gut auf ihn zu sprechen. Zwar hatte der Münsterländer sein Direktmandat verteidigt, aber im Wahlkampf hatte Spahn den glücklosen Kanzlerkandidaten Armin Laschet unterstützt. Für das Präsidium der CDU reicht es mit Rückendeckung von Parteichef Friedrich Merz, Spahns Wahlergebnis ist jedoch schwach.

Wegen der Themen Energie und Wirtschaft ist Spahn wieder gefragt

Inzwischen ist er Fraktionsvize und tritt im Fernsehen als „Energieexperte“ der CDU/CSU-Bundestagsfraktion auf. „Ich hatte Lust auf etwas Neues“, sagt Spahn. Damit hat er ein glückliches Händchen bewiesen, denn diese Kombination macht ihn seit Beginn des Ukraine-Kriegs zu einem gefragten Gesprächspartner. Während viele seiner Fraktionskollegen den Verlust von Aufmerksamkeit und Dienstlimousine mit Fahrern noch nicht ganz überwunden haben, hat er seine Rolle gefunden. „In der Opposition gelten andere Regeln, das tut uns vielleicht einmal ganz gut“, kommentiert er und räumt ein: „Klar, wir kommen schwerer an Informationen und die Relevanz hat abgenommen. Aber uns gelingt es immer wieder, Punkte zu setzen.“

Friedrich Merz (links) und Jens Spahn (beide CDU) arbeiten gut zusammen.
Friedrich Merz (links) und Jens Spahn (beide CDU) arbeiten gut zusammen. © dpa | Christophe Gateau

Zu Gesundheitsthemen äußert er sich nicht mehr, es gehöre sich nicht, den Amtsnachfolger zu kommentieren. Nach der nächsten Bundestagswahl würde er vermutlich gerne erneut im Kabinett sitzen. Er ist 42, im politischen Betrieb gilt das als jung. Seine Ambitionen auf die Kanzlerschaft hat er nicht aufgegeben, aber inzwischen stehen noch mehr Männer in der Rangfolge vor ihm, als beim letzten Versuch: Hendrik Wüst, Markus Söder und natürlich Merz, mit dem er sich nach eigenen Angaben sehr gut versteht. Medial ist Spahn jedenfalls wieder stark präsent, gilt als eines der bekanntesten Gesichter der Union.

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Woran es dem Münsterländer fehlt, sind seit jeher die Mitstreiter. Spahn gilt als besonders ehrgeiziger Taktierer, auf die Frage nach seinen Verbündeten und Unterstützern in der Partei, muss er kurz überlegen, um zu antworten: „Der Jungen Union und der MIT bin ich weiter eng verbunden. Ich bin lange dabei und habe eigentlich in alle Landesverbände gute Kontakte.“ Das habe ihm nach der Wahlniederlage sicher geholfen, auf dem Spielfeld zu bleiben, sagt Spahn und gibt zu: „Dafür musste ich durchaus kämpfen.“ Seine Eltern hätten ihm viel Resilienz mitgegeben. Diese Robustheit helfe in der Politik – durch Nachtsitzungen im Kabinett und möglicherweise für den langen Weg in den Chefsessel.

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