Berlin. Ein Großlabor, 36.000 Kilometer über der Erde: Die letzte Ariane-5-Mission soll bald starten. An Bord: ein wichtiger Supersatellit.

  • Am 16. Juni sollte die Ariane 5 abheben
  • Wegen eines technischen Fehlers wurde der Termin verschoben
  • Schlechte Wetterverhältnisse verhinderten den Start am Ersatztermin

Der für den 16. Juni geplante Start der europäischen Trägerrakete Ariane 5 zu ihrem letzten Raumflug ist wegen technischer Probleme abgesagt und auf einen unbestimmten Zeitpunkt verschoben worden.

Der neue Starttermin wiederum musste wegen ungünstiger Wetterbedingungen verschoben werden – zunächst um einen Tag. Geplant war, dass die Rakete in der Nacht auf Mittwoch, 5. Juli, vom europäischen Weltraumbahnhof in Kourou in Französisch-Guayana abhebt. Nun solle dies wenn möglich in der Nacht auf Donnerstag geschehen, teilte Arianespace am Dienstag, 4. Juli, mit.

Alexander Schneider wird auch beim neuen Termin im Raum Jupiter des Kontrollzentrums Kourou sitzen, alle Systeme überprüfen und den Countdown beobachten: Die letzte Ariane-5-Rakete soll noch im Juni abheben – an Bord der deutsche Kommunikationssatellit Heinrich-Hertz, ein innovatives Stück deutscher Technik und Pionierarbeit für die Raumfahrt.

Schneider ist industrieller Chef der Mission, wie die Flüge ins All im Fachjargon heißen. Als Projektleiter beim Bremer Satellitenspezialisten OHB hat er den Bau mehrere Jahre begleitet. In Kourou überwachte er die letzten Tests und die Endmontage der Rakete. Was da abheben soll, ist ein Großforschungslabor fürs All. „Mit der Heinrich-Hertz-Mission startet erstmals ein eigener deutscher Kommunikationssatellit zur Erforschung und Erprobung neuer Technologien“, sagt Anna Christmann, Raumfahrtkoordinatorin der Bundesregierung.

Letzte Mission: Ariane 5 soll Satellit Heinrich-Hertz ins All befördern

„Die Mission versetzt die deutsche Industrie in die Lage, sich im internationalen Wettbewerb auf Augenhöhe zu behaupten“, sagt Walther Pelzer, Leiter der Deutschen Raumfahrtagentur. Das Besondere: Üblicherweise können Satelliten nur Daten empfangen und senden. Heinrich-Hertz besitzt unter anderem zwei eigene Rechner, die von der Erde aus programmiert werden können. Zudem verarbeiten sie Daten bereits im All.

Auch die Sendefrequenzen können dank spezieller Flüssigkristalltechnik verändert werden. „Der smarte Satellit kann jederzeit flexibel an neue Kommunikationsstandards angepasst werden – auch nach dem Start“, sagt Pelzer. Heinrich-Hertz altert also kaum. Beteiligt an der Mission sind 42 Partner.

Ende April ist der Satellit mit einem schweren Transportflugzeug der Marke Antonow von Leipzig aus über die Kap Verden vor Afrika nach Französisch-Guayana geflogen. Seither: Transportverpackungen raus, Funktionen testen. Seit ein paar Tagen arbeitet das Startteam daran, die Rakete zusammenzubauen und für den Start vorzubereiten. Heinrich-Hertz fliegt nicht allein: Die Ariane 5 nimmt auch noch einen Kommunikationssatelliten des französischen Militärs mit ins All.

Letzte Arbeiten am Kommunikationssatelliten Heinrich-Hertz beim Bremer Unternehmen OHB.
Letzte Arbeiten am Kommunikationssatelliten Heinrich-Hertz beim Bremer Unternehmen OHB. © OHB/Stefan Gerding | OHB/Stefan Gerding

Satellit vom Format eines VW-Busses auf millionenschwerer Mission

Heinrich-Hertz wiegt 3,45 Tonnen und hat etwa das Format eines VW-Busses. Die Energie werden zwei Sonnensegeln mit jeweils gut zwölf Metern Spannweite liefern. Eingebaut ist Kommunikations-, Antennen- und Satellitentechnik, die deutsche Forschungsinstitute und Unternehmen entwickelt haben. Bevor sie verkauft werden kann, muss sie zeigen, dass sie auch wie versprochen im All funktioniert.

370 Millionen Euro kostet die Mission einschließlich Start, etwa 20 Prozent mehr als ursprünglich geplant. Unter anderem bremste die Corona-Pandemie die Entwickler. Das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum DLR gab den Auftrag. Die Kosten teilen sich Bundeswirtschafts- und Bundesverteidigungsministerium. An Bord sind auch Anlagen für die Bundeswehr.

NameHeinrich-Hertz-Satellit
ArtErster programmierbarer Telekommunikationssatellit
Größezwei mal zwei Meter, etwa fünf Meter hoch, dazu zwei Sonnensegel
Gewicht3,45 Tonnen
Position im Allgeostationär etwa 36.000 Kilometer über dem Äquator auf Höhe Ost-Ghanas
Kosten (einschließlich Start)rund 370 Millionen Euro
Geplante Lebenszeit15 Jahre
AuftraggeberDeutsches Luft- und Raumfahrtzentrum, Wirtschafts- und Verteidigungsministerium
HerstellerOHB Bremen

Satellit soll 15 Jahre lang einsatzbereit sein

„Ein Satellit ist auch teuer, weil viel getestet wird: bei den Bauteilen, bei den Geräten, beim fertigen Satelliten“, sagt OHB-Projektleiter Schneider. So war Heinrich-Hertz unter anderem in einer Klimakammer des Spezialisten IABG in Ottobrunn bei München, wo Kälte und dünne Atmosphäre des Alls simuliert werden kann. „Es muss alles einwandfrei laufen“, sagt der Techniker. „Wir können niemanden hinschicken, der ein Teil austauscht.“ Heinrich-Hertz soll mindestens 15 Jahre einsatzbereit sein.

Auch für OHB ist das Projekt groß: „Wir bauen erstmals ein Gesamtsystem: Satellit, Empfangsantennen, und Kontrollzentrum“, sagt Schneider. Die Antennen stehen im mecklenburg-vorpommerschen Neustrelitz und in Hürth bei Köln. „Das Kontrollzentrum in Bonn erinnert mit seinen Monitoren ein bisschen an das Nasa-Zentrum in Houston“, sagt Schneider. Von dort aus steuert die US-Raumfahrtbehörde ihre Missionen.

Alexander Schneider ist Projektleiter beim Bremer Satellitenbauer OHB und industrieller Leiter der Heinrich-Hertz-Mission.
Alexander Schneider ist Projektleiter beim Bremer Satellitenbauer OHB und industrieller Leiter der Heinrich-Hertz-Mission. © OHB | OHB

Polizei, Feuerwehr, THW: Sie sollen vom Satelliten profitieren

„Kommunikationssatelliten sind Teil der kritischen Infrastruktur“, sagt Raumfahrt-Koordinatorin Christmann. Wo Datenleitungen oder Sendemasten zerstört sind, sind aus ihrer Sicht Verbindungen über Satellit nötig. „Die Fluten im Ahrtal und der Krieg in der Ukraine zeigen sehr deutlich, wie unabdingbar eine eigene unabhängige Kommunikationsinfrastruktur ist.“ Heinrich-Hertz soll auch zeigen, was für Behörden, für Polizei, Feuerwehr und Technisches Hilfswerk THW zusätzlich möglich ist.

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Um den Satelliten weit ins All zu befördern, ist eine Rakete wie die Ariane 5 nötig, die über genug Kraft verfügt. Weil der Weltraumbahnhof Kourou nahe am Äquator liegt, bekommt Ariane 5 zusätzlichen Schub durch die Erdrotation. Etwa 30 Minuten nach dem Start wird der Satellit in etwa 250 Kilometern Höhe ausgesetzt.

Ariane 5: 36.000 Kilometer über der Erde

Von dort aus fliegt er dann mit eigenen Triebwerken bis zur endgültigen Position, die er nach rund zwei Wochen erreichen soll. Das Ziel ist ein Punkt etwa 36.000 Kilometer über dem Äquator leicht versetzt nach Osten. In dieser Höhe ist der Satellit so schnell, wie sich die Erde dreht – er scheint also festzustehen. Für kleine Korrekturen hat Heinrich-Hertz ein neuartiges elektrisches Ionen-Triebwerk von Thales aus Ulm an Bord.

Es ist der 117. Start einer Ariane 5 vom Weltraumbahnhof in Kourou und auch der letzte. Über die Jahre haben diese Schwerlastraketen unter anderem das Weltraum-Teleskop James Webb der Nasa ins All befördert und mehrfach Material zur Internationalen Raumstation ISS. Zuletzt startete die Jupiter-Mission Juice im April. Die Einzelteile des Nachfolgemodells Ariane 6 sind bereits in Kourou angekommen. Zahlreiche Tests stehen allerdings noch aus.

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Und so betrachtet mancher den Start des smarten Satelliten mit deutscher Spitzentechnologie auch etwas nachdenklich. „Die Ariane 5 ist für mich eine der besten und zuverlässigsten Trägerraketen der Welt und auch ein Symbol für eine erfolgreiche europäische Kooperation“, sagt Raumfahrtagentur-Leiter Pelzer. „Insofern empfinde ich beides – ein bisschen Wehmut aber auch Vorfreude auf die neue Trägerrakete Ariane 6, die hoffentlich in einem Jahr startklar ist.“

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