Berlin. Gasheizungen in Zukunft mit Wasserstoff nutzen – ist das wirklich realistisch? Eine Studie kommt zu einem überraschenden Ergebnis.

  • Sogenannte H2-ready-Gasheizungen können auch mit Wasserstoff betrieben werden – zumindest theoretisch
  • Denn aktuell fehlt in Deutschland dafür die nötige Infrastruktur
  • Wie realistisch ist, dass diese bald gebaut wird? Eine Studie dazu überrascht

Weg von fossilen Brennstoffen und stattdessen auf erneuerbare Energien setzen – dieses Ziel verfolgt die Bundesregierung mit dem Heizungsgesetz. Im Detail – also wie die Wärmewende gelingen soll – liegen die Parteien jedoch weit auseinander. Auch deshalb wurde die ursprüngliche Fassung für ein neues Heizungsgesetz kurz vor der Beratung im Bundestag noch einmal entschärft. Jetzt sollen auch neue Gasheizungen ab 2024 eingebaut werden können – die Voraussetzung: Sie müssen H2-ready sein oder zu mindestens 65 Prozent Biomasse nutzen. Doch das Bundesverfassungsgericht stoppte das Vorhaben vorläufig. Das Heizungsgesetz soll nun nach der Sommerpause verabschiedet werden.

Gasheizung H2-ready nutzen: Sind die Gasnetze auf Wasserstoff ausgelegt?

Die Funktion einer H2-ready-Gasheizung im Unterschied zu klassischen Gasthermen: Statt reinem Erdgas können H2-ready-Anlagen auch Gasgemische mit einem Wasserstoffanteil von bis zu 30 Prozent nutzen. An Gasheizungen mit höherem H2-Nutzungsgrad wird aktuell geforscht. Trotzdem sind noch einige Fragen offen. Ist das Gasnetz in Deutschland auf Gasgemische mit Wasserstoff ausgelegt? Und wie viel kostet grüner Wasserstoff überhaupt? Diese und weitere Fragen haben wir für Sie beantwortet.

Die im deutschen Gasnetz verbauten Stahlrohrleitungen sind für den Transport von Wasserstoff geeignet. Das hat eine Studie des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfachs (DVGW) ergeben. Nur einzelne Einbauteile müssten ertüchtigt oder ausgetauscht werden. Jedoch müssen für Wasserstoff und Erdgas getrennte Leitungen zur Verfügung stehen.

Typen von Gasheizungen: Die Vor- und Nachteile auf einen Blick

HeizungDefinitionVorteileNachteile
Standard-GasheizungNutzen Erdgas zur Erzeugung von Wärme. Sie bestehen aus einem Brenner und einem Wärmetauscher sowie einem Schornstein.Günstig in der Anschaffung und im Betrieb / hoher Wirkungsgrad / gute Verfügbarkeit von ErdgasAusstoß von CO2 / hohe CO2-Bepreisung / soll ab 2024 verboten werden / kann von der Austauschpflicht betroffen sein
Gas-BrennwertheizungBrennwertgeräte nutzen nicht nur die Wärme – die beim Verbrennen von Gas entsteht – sondern auch den dabei erzeugten Wasserdampf. Dies führt zu einer effizienteren Wärmeerzeugung.Sehr hoher Wirkungsgrad / geringerer Gasverbrauch im Vergleich zu Standard-Gasheizungen / Energieeinsparung / niedrigerer CO2-PreisHöherer Anschaffungspreis im Vergleich zu Standard-Gasheizungen – benötigt einen Abgasweg
GaskombithermeGaskombithermen erzeugen neben Raumwärme auch Warmwasser. Sie sind somit eine Kombination aus Heizung und Warmwasserbereiter.Platzsparend – es wird keine separate Warmwasserbereitung benötigt.Höherer Anschaffungspreis – benötigt einen Abgasweg
Gas-HybridheizungEine Gas-Hybridheizung kombiniert eine Gasheizung mit erneuerbaren Energien – etwa einer Solarthermieanlage oder einer Wärmepumpe.Nutzt erneuerbare Energien / sehr hoher Wirkungsgrad / kann CO2-Emissionen reduzieren / Förderung vom Staat für erneuerbaren AnteilHoher Anschaffungspreis / Planung und Installation können komplex sein / zwei Heizsysteme benötigen mehr Platz
H2-ready-GasheizungH2-ready Gasheizungen sind auf den Einsatz von Wasserstoff als Brennstoff vorbereitet. Bei Verfügbarkeit kann Erdgas durch Wasserstoff ersetzt oder gemischt werden.Kann erneuerbare Energie nutzen (grüner Wasserstoff) / kein CO2-Ausstoß bei Verbrennung von Wasserstoff / zukunftssichere InvestitionDerzeit begrenzte Verfügbarkeit und Infrastruktur für grünen Wasserstoff / hoher Anschaffungspreis / Zustand der Gasnetze

Sind Gasheizungen für Wasserstoff geeignet? Konzerne stellen Innovationen vor

"Eine Reihe unserer Gas-Brennwertkessel sind schon heute für die Beimischung von bis zu zwanzig Prozent Wasserstoff geeignet", sagt ein Sprecher der Heizungsmarke Buderus, die zu Bosch gehört. So ähnlich antworten auch andere Hersteller von Gasbrennwertgeräten. Die bisherigen Geräte können in der Regel mit einer Wasserstoff-Beimischung von maximal 30 Prozent betrieben werden.

Die Hersteller Viessmann und Vaillant haben nach eigenen Angaben serienreife Geräte, die 100 Prozent Wasserstoff verbrennen können und die derzeit Langzeittests unterzogen werden. "Diese H-ready-Brennwertgeräte lassen sich mit wenigen Handgriffen vom Betrieb mit Erdgas oder Erdgas/Wasserstoff-Gemischen auf den Betrieb mit 100 Prozent Wasserstoff umstellen", sagt Wolfgang Rogatty von Viessmann.

Gasheizung mit Wasserstoff nutzen: Grüner Wasserstoff – Produktion und Kapazitäten

Grüner Wasserstoff wird per Elektrolyse aus Wasser hergestellt. Das Wasser wird dabei unter Verwendung von Strom aus erneuerbaren Quellen in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Das macht den Wasserstoff klimaneutral und grün. Zur künftigen Verfügbarkeit gibt es verschiedene Einschätzungen. Die Versorgung mit grünem Wasserstoff werde "kurzfristig knapp und langfristig unsicher" bleiben, urteilt das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).

Videografik: Grüner Wasserstoff - Energiequelle der Zukunft

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    Der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfachs geht davon aus, dass der Bedarf schon ab dem Jahr 2030 mehr als gedeckt werden kann. "Mit politischem Willen und den notwendigen Weichenstellungen können über die deutschen Verteilnetze ausreichende Mengen für alle Sektoren zur Verfügung stehen – für die Industrie und auch für die über 20 Millionen Haushalte, die heute mit Gas heizen", sagt DVGW-Vorstandschef Gerald Linke. Demnach stehen im Jahr 2030 rund 290 Terawattstunden (TWh) CO2-armer bis klimaneutraler Wasserstoff zur Verfügung. Bis 2045 könnten es 850 TWh sein.

    Ab 2024 in H2-ready-Gasheizung investieren: Studie macht Hoffnung – Preise fallen

    Nach einer Studie von Greenpeace sollen die Produktionskosten von grünem Wasserstoff in Deutschland im Jahr 2030 zwischen 9 und 12 Cent je kWh liegen –Tendenz fallend bis 2050. Zum Vergleich: Der Börsenpreis für Erdgas liegt aktuell bei 4,4 Cent je kWh. Die Endpreise für die Verbraucher sind davon abhängig, mit welchen Steuern und Abgaben die Energieträger vom Staat belastet werden.

    "Wasserstoff" steht auf einer Leitung der Elektrolyse. Dieses Verfahren dient der Produktion von grünem Wasserstoff. © Uwe Zucchi/dpa/Archivbild

    Alternative zu Wasserstoff: Gasheizung mit Biomasse nutzen – das müssen Sie wissen

    In Bestandsbauten kann nach den Plänen der Ampel-Koalition auch Biomasse als Alternative zu Wärmepumpe und Co. genutzt werden. Hierzu zählen eine Pelletheizung oder auch die Gasheizung in Kombination mit Biomethan. Methan ist der wesentlichste Bestandteil von Erdgas und Biogas. Es kann problemlos in das bestehende Erdgasnetz eingespeist werden und von bestehenden Gasheizungen verbrannt werden. Biomethan aus Biogas zählt zu den erneuerbaren Energieträgern und kann Alternativ zum Wasserstoff für Gasheizungen genutzt werden.

    Gasheizung mit Biogas nutzen: Gibt es genügend Kapazitäten?

    Deutschland hat in Europa den größten Bestand an Biogasanlagen. Doch von rund 10.000 Anlagen speisen lediglich 250 in das Gasnetz ein. "Ohne eine Ausweitung der Anbaufläche für Energiepflanzen könnte die Erzeugung von Biomethan von aktuell 10 TWh auf 65 TWh im Jahr 2030 gesteigert werden", sagt Jörg Schäfer vom Fachverband Biogas. Dann könnten zu diesem Zeitpunkt rechnerisch 7,1 Millionen Haushalte in älteren Häusern mit Biogas beheizt werden. Aktuell heizen rund 20 Millionen Haushalte mit Erdgas.

    FAQ zum neuen Heizungsgesetz

    1. Was sind die grundlegenden Änderungen?

    Neue Heizungen sollen künftig zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden – hier ändert sich nichts. Allerdings wurde am Zeitplan deutlich entschärft und neben der Wärmepumpe sind andere Heizungstechniken gleichberechtigt – etwa Biomasse-Heizungen. Neu im Gesetz ist auch die kommunale Wärmeplanung – mehr dazu in Punkt fünf.

    2. Ab wann soll das Heizungsgesetz gelten?

    Das Gesetz soll zum 1. Januar 2024 in Kraft treten. Es wird jedoch eine Übergangsphase geben – in dieser soll eine kommunale Wärmeplanung erstellt werden. Erst im Anschluss sollen die Vorgaben im neuen Heizungsgesetz greifen.

    In vielen kommunalen Gebäuden in Deutschland wird noch mit Gas oder Öl geheizt. (Symbolbild)
    In vielen kommunalen Gebäuden in Deutschland wird noch mit Gas oder Öl geheizt. (Symbolbild) © Vasil Dimitrov/iStock

    3. Welche Systeme erfüllen die 65-Prozent-Vorgabe?

    Neu ist: Heizungen – die mit Holz und Pellets betrieben werden – erfüllen die 65-Prozent-Vorgabe ausnahmslos. Auch Gasheizungen – die zu 65 Prozent mit Biomasse oder Wasserstoff betrieben werden – sollen unter bestimmten Umständen weiter eingebaut werden können. Rein regenerative Alternativen wie die Wärmepumpe erfüllen die 65 Prozent ohnehin.

    4. Ist eine Gasheizung nach 2024 noch zulässig?

    Ab Januar 2024 sollen Gasheizungen eingebaut werden können – die Voraussetzung: Die neue Heizung muss auf Wasserstoff umrüstbar sein oder über Biogas betrieben werden. Diese Regelung greift auch für Neubauten außerhalb von Neubaugebieten.

    5. Wie wirkt sich die kommunale Wärmeplanung auf das Gesetz aus?

    Die kommunale Wärmeplanung soll vorliegen, bevor Hauseigentümer aufgrund des Gesetzes zum Heizungsaustausch verpflichtet werden. Das bedeutet, dass in Gebieten – in denen keine kommunale Wärmeplanung vorliegt – die Regelungen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) noch nicht gelten.

    6. Was ist die kommunale Wärmeplanung?

    Die kommunale Wärmeplanung ist letztlich ein strategischer Prozess. Gemeinden und Städte sollen ihre Wärmeversorgung planen und steuern – um ihre Energieeffizienz zu verbessern, den Einsatz erneuerbarer Energien zu erhöhen und CO2-Emissionen zu reduzieren. Dieser Prozess beinhaltet die Erstellung eines Wärmeatlasses, die Analyse der bestehenden Infrastruktur und die Bewertung von Möglichkeiten zur Steigerung der Effizienz und Nutzung erneuerbarer Energien.

    Die Wärmeplanung berücksichtigt sowohl technische als auch wirtschaftliche Aspekte und beinhaltet die Beteiligung der Öffentlichkeit, um sicherzustellen, dass die Bedürfnisse und Bedenken der Gemeindemitglieder berücksichtigt werden. Insgesamt dient die kommunale Wärmeplanung dazu, die komplette Wärmeversorgung nachhaltiger, effizienter und kosteneffektiver zu gestalten und die Ziele des Klimaschutzes zu unterstützen.

    7. Wie wird die Umrüstung auf erneuerbare Heizungen bei Bestandsgebäuden geregelt?

    Bestandsgebäude werden zur Umrüstung auf erneuerbare Heizungen verpflichtet, sobald die kommunale Wärmeplanung vorliegt. Dies könnte in einigen Regionen erst ab 2028 der Fall sein.

    8. Was ist das geplante "Heiz-Kataster" im neuen Gesetz?

    Das geplante Heiz-Kataster verpflichtet Kommunen, den Energieverbrauch der Gebäude in einer Region genau zu erfassen. Dies soll mehr Planungssicherheit bei der Wärmewende bieten.

    9. Wie wirkt sich das neue Heizungsgesetz auf die Austauschpflicht aus?

    Das neue Heizungsgesetz hat keinen erheblichen Einfluss auf die Austauschpflicht von bestehenden Heizungssystemen – die bisherigen Vorgaben für den Heizungstausch haben weiter Bestand. Aufgrund der Neuerungen im Heizungsgesetz haben Betroffene aber mehr Alternativen zur klassischen Gas- oder Ölheizung. Neben Wärmepumpe und Co. sollen zusätzlich unter bestimmten Bedingungen weiterhin Gasheizungen zulässig sein, die mit Biomasse oder H2-Wasserstoff betrieben werden.

    Dennoch hängt die spezifische Auswirkung des neuen Gesetzes auf die Austauschpflicht von der jeweiligen kommunalen Wärmeplanung ab – bis diese vorliegt, sind die Bestimmungen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) für den Austausch von Heizungen nicht anwendbar. Daher kann es sein, dass in einigen Regionen die konkreten Auswirkungen des neuen Heizungsgesetzes auf die Austauschpflicht erst in einigen Jahren vollständig spürbar sein werden.

    10. Welche neuen Förderungen soll es für den Wechsel zu erneuerbaren Heizungen geben?

    Die bestehenden Förderungen für neue Heizungen (2023) sollen weiter optimiert werden, um unterschiedliche soziale Härten zu adressieren und breitere Teile der Gesellschaft zu erreichen. Im Förderkonzept ab 2024 sind daher Klimaboni vorgesehen, die auf verschiedene Verbrauchergruppen abzielen.