Berlin. Deutschlands Gasversorgung ist sicherer als vor einem Jahr. Dennoch müssen Haushalte und Unternehmen weiter Energie sparen – auf Dauer.

Kann sich noch jemand an die Gasturbine erinnern? An jenes Riesending von der Ostsee-Pipeline Nord Stream 1, das zur Reparatur nach Kanada musste, dann in Deutschland lagerte und angeblich wegen fehlender Papiere nicht zur Verdichterstation bei Sankt Petersburg zurückgebracht werden konnte?

Vor etwas mehr als einem Jahr war diese Turbine Gegenstand der Weltpolitik: Der russische Staatskonzern Gazprom, faktisch eine Filiale des Kremls, hatte seine Erdgas-Lieferungen nach Europa drastisch reduziert und begründete dies mit dem Fehlen eben jenes Geräts. Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine war erst ein paar Monate alt.

Und Kriegstreiber Wladimir Putin hoffte, auf diese Weise die Europäer spalten und die Deutschen doch noch zur Inbetriebnahme der umstrittenen Pipeline Nord Stream 2 bewegen zu können. Vor genau einem Jahr drehte Russland den Gashahn dann ganz zu. Ende September 2022 sprengten Unbekannte schließlich beide Stränge von Nord Stream 1 und einen von Nord Stream 2. Spätestens da hatte man in Deutschland allen Grund zur Sorge, dass der Winter sehr kalt und ungemütlich werden könnte.

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Erdgas: Die Speicher sind fast voll

Das ist bekanntlich nicht geschehen. Und die gute Nachricht ist: Wenn nichts Unvorhergesehenes passiert, dürften Deutschland und seine europäischen Partner auch gut durch den jetzt anstehenden Winter kommen. Die Gasspeicher sind fast voll. In einem atemberaubenden Tempo haben Staat und Unternehmen an den Küsten eine Infrastruktur für die Anlandung von verflüssigtem Erdgas aus dem Boden gestampft. Verbündete Nationen wie Norwegen pumpen durch andere Röhren, was sie können.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) steht vor der in Kanada für die Erdgas-Pipeline Nordstream 1 gewarteten Turbine.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) steht vor der in Kanada für die Erdgas-Pipeline Nordstream 1 gewarteten Turbine. © picture alliance/dpa | Bernd Thissen

Mindestens genauso wichtig ist, dass sich die Verbraucher ans Energiesparen gewöhnt haben. Das gilt gleichermaßen für die Industrie wie für Privathaushalte. In Deutschland beginnt in einem Monat die Heizperiode. Das ist die Zeit im Jahr, in der Vermieter bestimmte Temperaturen in den Wohnungen sicherstellen müssen, in der also die Heizungen laufen und in der der Energieverbrauch am größten ist.

Die Energiepreise bewegen sich hierzulande wieder auf einem erträglichen Niveau, was nach dem steilen Anstieg infolge des russischen Überfalls auf die Ukraine nicht unbedingt zu erwarten war. Das heißt aber nicht, dass die Energiekrise vorbei wäre und die Verbraucher wieder zu alten Verhaltensmustern zurückkehren könnten. Auch im kommenden Winter sollte jeder Haushalt und jedes Unternehmen Gas sparen, wo immer das geht. Das entlastet das eigene Konto und hilft dem Land insgesamt.

Energiesparen: Diesem Thema kann niemand mehr ausweichen

Und bei alldem darf man nicht vergessen, dass es beim Energiesparen auch um Klimaschutz geht. Die aufgeregte Debatte über das Heizungsgesetz von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat in den vergangenen Monaten vielfach überdeckt, dass es ein „Weiter so“ beim Verbrauch fossiler Energien unabhängig von Putins Krieg nicht geben kann.

Thorsten Knuf, Politik-Korrespondent
Thorsten Knuf, Politik-Korrespondent © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Deutschland ist bindende Verpflichtungen zur Reduktion seiner Treibhausgas-Emissionen eingegangen. Das Land muss 2045 klimaneutral sein, so steht es im Gesetz. Kein Mieter, kein Hausbesitzer, kein Unternehmer und erst recht kein Politiker kann sich mehr vor dem Thema Energiesparen drücken.

Zurück zur Gasturbine, dem Politikum des Sommers 2022: Die lagert immer noch in einer Halle von Siemens Energy in Mülheim an der Ruhr, und zwar versiegelt und einsatzbereit. Vermutlich kommt sie nie wieder zum Einsatz. Gazprom will sie offenbar nicht zurückhaben. Man sollte die Turbine schleunigst in ein Museum überführen, zum Beispiel ins Haus der Geschichte nach Bonn. Sie könnte dort veranschaulichen, was es mit der vom Kanzler ausgerufenen „Zeitenwende“ auf sich hat: eine maximale Distanz zu Russland, die auch mit einem Umbruch in der Energieversorgung einhergeht.